Knauf.1 Kapitell. (Baukunst) Der oberste Teil einer Säule oder eines Pfeilers, der den Kopf oder das oberste Ende derselben vorstellt. Wie alle wesentlichen Teile eines zierlichen Gebäudes in der Natur der Sachen ihren Ursprung haben, wovon wir anderswo Beispiele gegeben haben2, so hat es auch der Knauff. Vermutlich hat man, noch ehe die schöne Baukunst entstanden ist, statt der Säulen Bäume genommen, die man zu oberst am Stamme, wo die Äste ansangen, abgeschnitten. An dieser Stelle sind die meisten Bäume etwas knotig und diker als am übrigen Stamm und darum hatten auch die ersten ungekünstelten Säulen ihren Knauff. Die korinthische Säule, deren Knauf mit Blättern ausgeziehrt ist, hat ihren Ursprung vermutlich im Orient gehabt, wo man Palmbäume zu Säulen gebraucht hat. Denn an diesen Bäumen wachsen am obersten Ende des Stammes große Blätter. Aber auch ohne diese natürliche Veranlassung der Säule einen Knauf zu geben, würde das Gefühl, sie zu etwas Ganzem zu machen, ihr einen Kopf gegeben haben.3
Darum findet man in den ältesten Ägyptischen Überbleibseln der noch sehr rohen Baukunst, in den ersten rohesten Versuchen der nordischen Völker und in den Gebäuden der Chineser, denen die griechische Baukunst völlig unbekannt geblieben ist, überall den Knauf an den Säulen. Auch der oberste Teil des Knauffs, der Deckel oder die Platte hat natürlicher Weise den Ursprung, dass man, um den Knauff vor der Nässe zu verwahren und dem Unterbalken eine festere Lage zu geben, ein viereckiges Brett oben darauf wird gelegt haben.
Nachdem man angefangen hatte Geschmack in die Baukunst einzuführen, ist der bloß knotige oder beblättete natürliche Knauff, verziehrt und durch den Meissel regelmäßiger gemacht worden. Daher entstanden verschiedene Formen und Größen desselben und die Griechen, die alles, was zur Schönheit gehört, verfeinerten, setzten einige Formen und Verhältnisse derselben fest und eigneten jeder Art der Säule oder der sogenannten Säulenordnungen, ihren eigenen Knauf zu. Sie hatten den korinthischen, ionischen und dorischen Knauff; diesen wurden danach der toscanische und der römische oder zusammengesetzte (denn er ist aus Vereinigung des korinthischen und römischen entstanden) beigefügt. Also sind in der heutigen Baukunst fünf Arten der Säulen aufgenommen, deren jede ihren eigentümlichen Knauf hat, dessen Form, Größe und Verhältnis der Teile insoferne festgesetzt sind, dass man sie auch bei den verschiedenen Veränderungen, die bald jeder Baumeister für sich daran macht, erkennen kann. Jeder ist in dem besonderen Artikel unter seinem Namen näher beschrie ben worden. Unser deutsche Baumeister Goldman, einer der verständigsten und scharfsinnigsten Männer in dieser Kunst, der seine Vorschriften überall aus guten Grundsätzen hergeleitet hat, setzt zweierlei Größen für die verschiedenen Arten des Knauffs feste. In den niedrigen Ordnungen4 gibt er der Höhe eines jedem Knauffs einen Model, in den höheren aber 2 1/3 Model.
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1 Der Ursprung dieser Benennung ist mir unbekannt. Vielleicht kommt sie von dem niedersächsischen Worte Knub, Knubbe, welches ein etwas ausgewachsenes Stück Holz bedeutet. Der Knauf stellt allerdings eine an der Höhe eines Baumstammes ausgewachsene knotige Verdikung desselben vor.
2 S. Gebälk.
3 S. Ganz.
4 S. Ordnung.