Kraft. (Schöne Künste) Wir schreiben jedem Gegenstand des Geschmacks eine ästhetische Kraft zu, insofern er vermögend ist eine Empfindung in uns hervorzubringen. Was in körperlichen Dingen Geschmack und Geruch ist, das ist die ästhetische Kraft in den Gegenständen die die Künste den inneren Sinne darbieten. Eine edle Tat, hat die Kraft uns zu rühren und ein von der untergehenden Sonne schön bemahlter Himmel hat die Kraft ein sanftes Ergötzen in uns hervorzubringen. Also sind die verschiedenen ästhetischen Kräfte die Mittel die der Künstler braucht auf die Gemüter zu wirken und nichts ist ihm nötiger als die Kenntnis dieser Kräfte die den Gegenständen, die er uns vorlegt, eigen sind.
Aus dem, was schon anderswo über die Natur der Empfindung angemerkt worden ist [s. Begeisterung u. Empfindung], erhellt, dass der Gegenstand eine ästhetische Kraft hat, wenn er vermögend ist unsere Aufmerksamkeit von der Betrachtung seiner Beschaffenheit abzulenken und sie auf die Wirkung zu richten, die der Gegenstand auf uns, vornehmlich auf unseren inneren Zustand macht.
Diese Kraft kommt entweder von der Beschaffenheit des Gegenstandes und seinem unveränderlichen Verhältnis gegen die Natur unserer Vorstellungskraft oder sie beruht nur auf zufälligen Umständen. So haben die meisten Speisen einen unveränderlichen na türlichen Geschmack, der sie uns angenehm macht: hingegen hat das Wasser gar keinen Geschmack; aber bei merklichem Durst ist es höchst angenehm. Jene von der Beschaffenheit des Gegenstandes herkommende Kräfte kann man wesentliche, die anderen aber zufällige ästhetische Kräfte nennen. Die zufälligen Kräfte der ästhetischen Gegenstände können nicht alle bestimmt werden, weil es nicht wohl möglich ist alle zufälligen Umstände aufzuzählen, die uns eine Sache, für die wir natürlicher Weise gleichgültig sind, interessant machen können: die gewöhnlichsten zufälligen Kräfte sind das Neue, das Unerwartete, das Ausserordentliche, das Große und das Wunderbare. Aber die wesentlichen Kräfte können nur von dreierlei Gattung sein; sie entstehen aus Vollkommenheit, aus Schönheit und aus Güte oder aus den, diesen entgegengesetzten Eigenschaften. Denn alles, was uns durch eine unveränderliche oder wesentliche Wirkung gefallen soll, muss unseren Verstand oder unseren Geschmack oder unsere Neigungen befriedigen; und alles, was notwendig mißfallen soll, muss das Gegenteil tun. Was den Verstand befriediget, kann unter der allgemeinen Benennung des Vollkommenen begriffen werden und so kann man überhaupt schön nennen, was dem natürlichen Geschmack und gut was den natürlichen Neigungen des Herzens angemessen ist. Man könnte füglich dem Vollkommenen, Schönen und Guten anziehende oder antreibende und den entgegengesetzten Eigenschaften zurücktreibende Kräfte zu schreiben.
Die gute Wirkung, die jedes Werk der schönen Künste auf die Gemüter der Menschen hat, kommt also von den verschiedenen in denselben liegenden antreibenden oder zurückstossenden Kräften her, wodurch wir zu jedem Guten angehalten und von jedem Bösen abgeschreckt werden: Und die genaue Kenntnis dieser ästhetischen Kräfte ist ein wichtiger Teil dessen, was der Künstler zu wissen hat. Darum wollen wir uns etwas näher in die Betrachtung derselben einlassen.
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