Kraft - Kraft des Guten


Die dritte Art der ästhetischen Kraft liegt in dem Guten. In diesen Begriff schließen wir alles ein, was wir äußerlich oder innerlich besitzen, insofern es ein Mittel ist, das uns in den Stand setzt, die Absichten der Natur zu erfüllen und unsere wahren Bedürfnisse zu befriedigen; oder alles, was unsere inneres und äusseres Vermögen, der Natur gemäß wirksam zu sein, befördert. Es lässt sich ohne Weitläufigkeit einsehen, dass die wichtigsten Güter des Menschen aus vorzüglicher Stärke aller Seelenkräfte bestehen, was von aussen dazu kommen muss, dient nur die Anwendung dieser Kräfte zu erleichtern Der vollkommenste Mensch ist ohne Zweifel der Mensch von den höchsten Gaben des Geistes und Herzens. Alles was diese Gaben erhöhet oder stärket, muss als wesentlich gut angesehen werden; und was von Außen die Wirksamkeit dieser inneren Kräfte befördert, wird eben dadurch gut; wenn es gleich sonst gleichgültig wäre. In den schönen Künsten zeigt sich das Gute durch die Schilderungen der Gesinnungen, der Charaktere und der Handlungen der Menschen und in allem dem, was sich darauf beziehet: das Gefühl unserer innerlichen Kraft und Wirksamkeit, macht uns sehr aufmerksam auf alles, was sie reizt. Darum interessiert uns auch in den Werken der schönen Künste nichts mehr als die Gegenstände, durch welche das Gefühl des Guten oder Bösen rege gemacht wird. Aus welchem Gesichtspunkt man immer die Künste betrachtet, findet man doch allemal, dass das Gute oder Böse der interessanteste Stoff derselben sei. Selbst Vollkommenheit und Schönheit werden nur durch ihre Beziehung auf das Gute interessant. Das Gute bewirkt die antreibenden und das Böse die zurücktreibenden Kräfte: und je mehr wir diese Kräfte für die Erlangung des Guten und Vermeidung des Bösen üben, je mehr stärken sie sich.

Dadurch also werden die schönen Künste höchst wichtig, dass sie unsere Seelenkräfte durch lebhafte Schilderung des Guten und Bösen in einer sehr vorteilhaften Wirksamkeit unterhalten und darin liegt die wichtigste Kraft dieser Künste. Hierüber ist man so durchgehends einig, dass es unnötig ist, diese Sache ausführlicher zu entwickeln.

Daraus folgt ganz natürlich, dass der Künstler vorzüglich besorgt sein soll, diese Art der Kraft in sein Werk zu legen. Die dramatische und die epische Dichtkunst können dieses in dem weitesten Umfange tun und sind deswegen die wichtigsten Zweige der Kunst. Nach ihnen kommt die lyrische Gattung, die so vorzüglich geschickt ist, jede Empfindung des Guten und Bösen rege zu machen. Die Musik aber dient hauptsächlich ihnen einen hohen Grad der Lebhaftigkeit zu geben. Die Malerei hat Mittel uns durch den Körper sehr tief in das Innere der Seele blicken zu lassen und die Empfindung des Guten und Bösen, die sie dadurch in uns erwecken kann, sind ebenfalls höchst lebhaft. Sowohl die innere Seeligkeit des Menschen, die aus dem Gefühl des Guten entsteht als die Verzweiflung die aus dem Gefühl des gänzlichen Mangels desselben entspringt, werden schwerlich durch irgend eine Weise lebhafter empfunden als durch den Ausdruck dieser Gemütslagen, den wir in Gesicht, Stellung und Bewegung der Menschen sehen. Selbst in den Werken der Kunst, darin die leblose Natur geschildert wird, sie seien Werke der Rede oder des Pensels, kann man beiläufig sich dieser Art der Kraft bedienen. Dieses haben Thomson und Kleist mit großem Vorteile getan.

Bei Gegenständen dieser Art, erfordert der Zweck der Künste eine lebhafte Schilderung des Guten und Bösen, ihrer Natur so angemessen, dass eine feurige Begierde für das eine und ein lebhafter Abscheu für das andere entstehe. Also fordert die Kunst in ihren wichtigsten Arbeiten nicht nur einen großen Künstler, der seinen Gegenstand auf das lebhafteste darstelle, sondern auch einen rechtschaffenen Mann, der selbst eine große Seele habe, die jedes Gute und Böse kenne und nach Maßgabe seiner Größe fühle.

Sehen wir auf alle Arten der Kraft zurücke, die in den Werken der schönen Künste liegen, so begreifen wir, dass nur die größten Menschen, vollkommene Künstler sein können. Es gibt Menschen, die sich einbilden, dass ein feiner Geschmack an dem Schönen, den Künstler ausmache. Es erhellt aus dem, was hier gesagt worden, dass dieses allerdings eine notwendige Eigenschaft desselben sei, zugleich aber, dass sie allein, gerade die niedrigste Klasse der Künstler ausmache, denen man nichts als Artigkeit zu danken hat. Der große Verstand allein, kann den Philosophen und den zu Ausrichtung der Geschäften brauchbaren Mann ausmachen; der Geschmack am Schönen allein, macht den angenehmen Mann; das Gefühl des Guten den guten Mann; aber alles zusammen verbunden macht die Grundlage zum Künstler aus.


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