Kupferstecher

Kupferstecher. Man gibt diesen Namen im eigentlichen Verstand nur den Künstlern, welche vornehmlich mit dem Grabstichel arbeiten. Denn wenn man auch die, welche die Kupferplatten ätzen, so nennen wollte; so würde der Name einer großen Anzahl Maler müssen gegeben werden und Rembrandt wär unter die Kupferstecher zu setzen. Das Ätzen ist eine Kunst, die jeder gute Zeichner ohne Anleitung eines Meisters bald lernt; aber die Kunst des Grabstichels erfordert weit mehr Übung und würde ohne Anleitung schwerlich so zu lernen sein, wie die berühmten Meister dieselbe besizen.

 Der Kupferstecher sollte, so wie der Maler und der Ätzer, ein guter Zeichner sein. Nicht bloß deswegen, damit er im Stande sei ein Gemälde, das er stechen soll, erst zu zeichnen; denn die Zeichnung könnte er sich allenfalls von einem anderen machen lassen; sondern vornehmlich, damit er in Auftragung der Zeichnung frei und ungezwungen verfahren könne. Besonders ist ihm derjenige Teil der Zeichnungskunst nötig, der die Haltung, Licht und Schatten und den Ausdruck des äußerlichen Charakters der sichtbaren Gegenstände betrift. Das Glatte muss anders gezeichnet werden als das Rauhe, das Glänzende anders als das Matte und bald jede besondere Gattung der Gegenstände erfordert eine ihr besonders an gemessene Manier des Zeichners. Eben dieses scheint das schwerste der Kunst zu sein und einen Mann von Genie zu erfordern.

 Die ersten Studia hat der Kupferstecher mit allen anderen zeichnenden Künstlern gemein. Er muss ein so guter Zeichner sein als der Maler. Wenn es berühmte Kupferstecher gegeben hat, die in diesem Teile schwach gewesen sind, so haben sie nach vollkommen ausgearbeiteten Zeichnungen gestochen und dadurch ihr Unvermögen bedeckt. Vorzüglich muss der Kupferstecher sich im Zeichnen nach der Natur üben, damit er eine Fertigkeit in den mannigfaltigen Arten der Charaktere natürlicher Dinge erlange. Da es aber ein Hauptteil der Kunst ist, nach Gemälden zu arbeiten, indem sie vorzüglich zur Nachahmung der vortreflichsten Werke des Pensels gebraucht wird; so muss der künftige Kupferstecher sich fleißig im Zeichnen nach Gemälden üben, damit er lerne das Charakteristische in der Behandlung des Malers ausdrücken. Es würde ihm so gar vorteilhaft sein, sich im Mahlen zu üben. Denn nur ein Maler bemerkt im Gemälde jeden Penselstrich.

 Wenn er sich in allen diesen Teilen fleißig geübt hat, so wird ihm auch dieses sehr vorteilhaft sein, dass er Kupferstiche von schönen Gemälden mit ihren Originalen vergleicht; nur dadurch kann er die Kunst ein Gemälde in den Kupferstich gleichsam zu übersetzen, in ihrer höchsten Vollkommenheit fassen.

 Die Führung des Grabstichels, ist also der kleinste Teil der Kunst. Ein Maler, der ein großer Zeichner ist, kann den Kupferstecher um mehr als dreiviertel seiner Kunst ausbilden. Das ihm fehlende Viertel gibt ihm danach der Kupferstecher und die Übung. Ein angehender Kupferstecher muss sich durch die Beispiele der Künstler, die ohne viel Zeichnung zu besizen, bloß durch die Fertigkeit im Grabstichel Ruhm erworben haben, nicht irre machen lassen. Der sicherste Weg in seiner Kunst groß zu werden, ist doch der, der durch die ganze Kunst der Zeichnung geht. Wer gelernt hat, mit dem Bleistift oder der Feder jeden Gegenstand in seinem natürlichen Charakter auszudrücken, dem wird danach die Arbeit mit dem Grabstichel nicht mehr große Schwierigkeiten machen.

 Eine einzige Anmerkung wird hinlänglich sein die Notwendigkeit einer langen Übung im Zeichnen zu beweisen. Man kann als ausgemacht annehmen, dass der Kupferstecher, der ein Gemälde in Kupfer bringen will, fast keine einzige Stelle desselben so behandeln kann, wie die andere. Die Betrachtung eines einzigen guten Kupferstichs, wird jeden hinlänglich davon überzeugen. Will der angehende Künstler die Art der Behandlung, die jedem Gegenstand vorzüglich angemessen ist, durch Führung des Grabstichels lernen, der sehr langsam und zum Teil mit Furcht arbeitet; so wird sein ganzes Leben kaum hinreichen, das zu finden, was er sucht. Mit dem Bleistift und der Feder geht die Arbeit geschwind von statten; sieht man, dass eine Behandlung für gewisse Gegenstände nicht schicklich genug ist, so kann man fünfzig andere versuchen, ehe man mit dem Grabstichel zweierlei Manieren versucht hat.

 Währender Zeit, dass der künftige Stecher sich im Zeichnen übet, kann er auch schon die ersten Übungen mit dem Grabstichel vornehmen, um sich eine feste Hand und einen freien Stich anzugewöhnen. Mit den Übungen, die vorzüglich bestimmt sind, nach Gemälden und nach der Natur zu zeichnen, kann das Lernen aller Arten der geraden und krummen Stiche, aller Schrafirungen, aller Gattungen des tiefen und flachen, des harten und weichen Stichs, die gleichsam das Alphabet der Kupferstecherkunst ausmachen, verbunden werden.

 Ein höchstwichtiger Vorteil zur Erlernung der Kunst wäre es, wenn man eine von einem guten Meister oder Kenner gemachte Sammlung der besten Kupferstiche derjenigen Künstler bei der Hand hätte, durch welche die Kunst wirklich eine Vermehrung oder Vervollkommnung erhalten hat. Diese Sammlung müsste so gemacht sein, dass jedes Blatt etwas Neues enthielte, das bei der gegenwärtigen Vollkom menheit der Kunst durchgehends angenommen worden. Diese Stücke müssten dem Schüler erklärt werden, damit er begreifen lernte, dass z. B. diese Behandlung am besten sei das Nakende in Figuren; die, das Glänzende der Metalle und seidenen Stoffe; diese eine leichte und warme, jene eine schwere und kalte Luft auszudrücken, u.s.w. So bald die Hand des Schülers durch Führung des Grabstichels, Auge und Hand aber durch fleißiges Zeichnen eine gewisse Fertigkeit erlangt haben; alsdann kann er anfangen nach erwähnten Kupferstichen zu arbeiten.

 Wenn man bedenkt, dass der Kupferstecher zur Vorstellung der unendlichen Verschiedenheit natürlicher Dinge kein ander Mittel hat als schwarze Striche oder Punkte auf einem weißen Grunde; so wird man begreifen, was für erstaunliche Schwierigkeiten die Kunst hat und was für Genie ist erfordert worden, die mannigfaltigen Mittel auszudenken, wodurch es den Erfindern gelungen ist, jede Sache natürlich darzustellen und beinahe die Farben der Gegenstände erraten zu lassen.

 In diesen großen Schwierigkeiten liegt der Grund, warum selten ein Kupferstecher in allen Teilen der Kunst zugleich groß sein kann und warum es gut ist, dass sich jeder auf einen Zweig derselben; dieser auf das Portrait; ein anderer auf das historische Gemälde; ein dritter auf Landschaften, einschränke. Denn es wäre wirklich zu viel gefordert, dass ein Mensch in allen Arten stark sein sollte.

 Man kann aus dem angeführten auch erkennen, dass der große Kupferstecher, in welcher Art er sich hervortut, weder in Ansehung des Genies und der Talente, noch in Absicht auf die durch Übung erworbenen Geschicklichkeiten, dem Maler oder einem anderen Künstler könne nachgesetzt werden. Wer wird z.B. sich unterstehen zu leugnen, dass zu einem Kupferstich, wie Massons Jünger zu Emaus nach Titian,1 weniger Genie und Kunst erforderlich gewesen seien als zur Verfertigung des Gemäldes selbst? Ein kühner Stich und zierliche Schrafirungen machen so wenig den guten Kupferstecher aus als es zum guten Poeten hinlänglich ist, einen wohlklingenden Vers zu machen.

 

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1 In der Sammlung der Kupferstiche, die der französische Hof unter Ludwig den XIV, nach den in dem Königl. Kabinet befindlichen Gemälden hat verfertigen lassen. Kabinet des estampes du Roy de France. Diese Sammlung ist selten zu haben, weil der Hof sie bloß zu Geschenken bestimmt hatte.

 


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