Kunstwörter. Die Künstler und Kunstrichter bedienen sich, wenn sie von Kunstsachen reden, vieler Wörter, die im gemeinen Leben oder in Wissenschaften sonst nicht oder wenigstens nicht in der Bedeutung, die sie in der Kunstsprache haben, vorkommen und deswegen Kunstwörter genannt werden. Man hat so wenig Ursache sich über die Kunstwörter zu beklagen, dass man vielmehr ihre Anzahl so lange vermehren sollte, bis jeder in der Theorie und Ausübung der Künste vorkommende klare Begriff, sein Wort hat.
Es kann allerdings ein großer Mißbrauch davon gemacht werden; wie man denn die Sprache überhaupt mißbraucht und nur zu oft statt der Gedanken, bloße Wörter sagt. Es ist in dem vorhergehenden Artikel angemerkt worden, dass es der Kunstsprache, wenn sie in die Hände seichter Köpfe kommt, eben so geht, wie der wissenschaftlichen Sprache der Metaphysik, die unter den Händen der Scholastiker zu einem leeren Geschwätz geworden ist.
Ein anderer schlimmer Mißbrauch der Kunstsprach wird von denen gemacht, die in Schriften, die nicht für Liebhaber und Kenner der Kunst, sondern für alle Leser überhaupt geschrieben sind, in der Kunstsprache reden und dadurch unverständlich werden. Die Künste sind für alle Menschen und diejenigen, die sich einmal der Welt als Lehrer ankündigen, müssen die Gelegenheiten ergreifen, ihnen die Werke der Kunst, die ihnen nutzen können, bekannt zu machen; auch so gar sie von ihrem Wert oder Unwert, von ihren Vollkommenheiten und Mängeln zu unterrichten. Tun sie es aber in der Kunstsprache, so ist ihr Unterricht vergeblich; weil der gemeine Leser sie nicht versteht oder gar auf den Wahn gerät als ob die Kenntnis der Kunstwerke von einer Menge schwer zuverstehender Wörter abhänge.
Ein Kenner tut wohl, wenn er bei guter Gelegenheit selbst den gemeinen Mann, den er beim Schauspiel spricht, auf das Gute und Schlechte desselben aufmerksam macht. Aber er muss dabei bedenken, dass er keinen Kenner, dem die Kunstsprache geläufig ist, vor sich hat. Diesem könnte er vermittelst der Kunstwörter, sehr kurz seine Beobachtungen mitteilen. Aber dem gemeinen Mann muss er nicht von Ankündigung, von Knoten, von Charakteren, Monologen, von Coup de Theatre und dergleichen Dingen sprechen, davon er nichts versteht. Er muss eben das, was die Kunstwörter bedeuten, durch ihm bekannte Wörter ausdrücken.
Unter Kennern sind die Kunstwörter von vielfältigem Nutzen. Sie kürzen die Reden ungemein ab; sie machen, dass man sich gar vieler den Künsten wesentlicher Begriffe, die ohne besondere Zeichen nicht genug helfen würden, versichert. Der, dem die Kunst sprache geläufig ist, denkt, bloß weil er außer den Begriffen der Sachen, die Töne der Wörter besizt, weit bestimmter und ausführlicher an alles, worauf er Achtung zu geben hat. Die Kunstwörter dienen ihm zur Beurteilung, wie dem Redner die rhetorischen Fächer (Topica) zur Erfindung dienen. Wem beim Anschauen eines Gemäldes gleich alle malerische Kunstwörter einfielen, dessen Beurteilung würde eben darum keine zum Gemälde erforderliche Eigenschaft entgehen. Es ist kaum zu glauben, wie viel uns sonst bekannte Begriffe, da, wo man sie nötig hatte, uns entgehen, wenn der Ton der Worte, wodurch sie bezeichnet werden, uns nicht einfällt. Was, wie die deutlichen Begriffe, bloß im Verstande liegt, verschwindet, wie ein leichter Nebel, wenn es nicht an irgend einen der äußeren Sinne angehängt wird. Der gemeine Mann, der ein Gebäude betrachtet, sieht an demselben gerade die Teile, die dem Kenner der Baukunst in die Augen fallen. Aber alles was er sieht, fließt in dem Kopfe des Unwissenden in einen unförmlichen Klumpen zusammen; er kann nichts davon beschreiben und also auch nichts beurteilen, da der Kenner vermittelst der Kunstwörter alle diese Begriffe von einander abgesondert sieht und folglich das Gebäude seiner Beurteilung unterwerfen kann.
Es wäre demnach zur Ausbreitung der Kenntnis der Kunst allerdings sehr gut, dass die Kunstwörter all mählig, aber ja nicht ohne die Begriffe, deren Zeichen sie sind, in die gemeine Sprache übergetragen würden. Und der würde gewiss ein nützliches Werk tun, der ein Wörterbuch aller zu den schönen Künsten gehörigen Wörter, mit richtiger Bestimmung ihrer Bedeutung herausgäbe.
Für die Kenntnis und Theorie der Künste selbst, bleibt in Absicht auf die Kunstwörter noch die wichtige Arbeit übrig, dass man ihre Bedeutung allgemeiner oder wie man in der Metaphysik spricht, Transzendent, mache. Die Künste sind im Grund einerlei, behandeln ähnliche Gegenstände und durch ähnliche Mittel. Keine Kunst hat Regeln oder Maximen, davon das Allgemeine nicht auch in anderen Künsten vorkomme. Die Sprache hat ihre Zeichnung, ihr Kolorit, ihr Helldunkles, ihre Gruppirungen, wie die Malerei. Nur sind diese Dinge in einer Kunst eher zu bemerken als in einer anderen. Daher entstehen Kunstwörter, die man anfänglich nur in einem Zweig der Kunst braucht. Zur Vollkommenheit der Theorie der Künste, ist nötig, dass man jede besonders kenne und das Verfahren der einen in die andere herübertrage.
–– alterius sic
Altera poscit opem. ––
Alsdenn werden die, sonst einzeln Künsten eigene Kunstwörter, allgemein gemacht.