Bewunderung

Bewunderung. (Schöne Künste) Eine lebhafte Empfindung der Seele, die aus Betrachtung einer Sache entsteht, welche unsere Erwartung übertrift. Man wird finden, dass bei der Bewunderung immer ein Bestreben des Geistes ist, die Gründe der Sache, die uns in Verwunderung setzt, zu begreifen. Je verborgener sie sind, desto größer wird die Bewunderung und sie kommt auf den höchsten Grad, wenn etwas unseren Begriffen widersprechend scheinendes dabei ist. Wenn man mit Herrn Home zwei Arten dieser Empfindung unterscheiden und mit seinem Übersetzer*) mit den Namen Verwunderung und Bewunderung belegen will, so würde ich der Empfindung, welche aus einer gegen unsere Vermutung sich ereignenden Begebenheit entsteht, den Namen Verwunderung beilegen, und die Empfindung, welche aus Betrachtung einer ausserordentlichen und unbegreiflichen Kraft entsteht, Bewunderung nennen. Man könnte diese einen Affekt des Geistes nennen: denn sie hat mit den Affekten dieses gemein, dass sie mit einem lebhaften Bestreben, seine Begriffe zu der Größe, die man vor sich sieht, zu erheben verbunden ist. Vermutlich hat Descartes deshalben die Bewunderung unter die Leidenschaften gezählt. Wolff aber hat sie darum davon ausgeschlossen, weil dieses lebhafte Gefühl mit keiner offenbaren Zuneigung oder Abneigung gegen die bewunderte Sache verbunden ist, ob sich gleich etwas diesem ähnliches dabei zu zeigen scheint.

Wie dem aber sein mag: so ist dieses offenbar, dass die Bewunderung eine der lebhaftesten Empfindungen sei, die zur Beförderung des Guten und zur Vermeidung des Bösen vortrefliche Dienste tun kann. Und insofern ist sie eine von den Empfindungen, welche die Künste vorzüglich müssen zu erwecken suchen. Sie wird aber eben sowohl durch einen hohen Grad des Bösen, als des Guten hervorgebracht. Die ausserordentliche Bosheit des Satans bei Milton und Klopstock oder gewisser Menschen in den Trauerspielen des Shakespear, setzen uns eben so stark in Bewunderung als die erhabenen Charaktere der Helden in dem Guten. Jenes wirkt Abscheu und Verwünschung, dieses Ehrfurcht und Bestreben zur Nachahmung des Guten. Dieses alles ist so offenbar und so bekannt, dass es keiner weiteren Ausführung bedarf.

Wir können also gleich diese Regel fest setzen, dass der Künstler die Gelegenheit, uns in Bewunderung zu setzen, niemals muss ungenutzt vorbei gehen lassen. Die Gelegenheiten zeigen sich überall, wo große Charaktere und große Handlungen können vorgestellt werden: im epischen Gedicht, im Trauerspiel, in der Ode, im historischen Gemälde, in Abbildung einzelner Personen durch den Pinsel oder durch den Meissel und in ernsthaften Arten der Musik. Die besonderen Quellen des Wunderbaren haben wir an einem anderen Orte beschrieben [s. Wunderbar].

Der Künstler, welcher Bewunderung erregen will, muss nicht nur die Quellen des Wunderbaren kennen, er muss selbst groß denken und groß fühlen: gemeine Künstler erreichen diesen Grad der Wirkung niemals. Wem die Natur die Größe der Seele nicht gegeben hat, der unternehme es nicht, uns in Bewunderung zu setzen. Der, dem in der Natur alles scherzt und lacht oder dem in den Handlungen der Menschen und in den Begebenheiten, alles eine poßierliche Seite hat; der, der überall Witz und ein feines Spiel der Phantasie sucht; wen eine angenehme Blume oder eine liebliche Gegend, mehr rührt als ein rauschendes Wasser oder ein wildes Felsgebürge; alle diese würden sich vergeblich bemühen, unsere Bewunderung zu erwecken. Hat aber die Natur die Anlage zum Grossen in die Seele gelegt, so kann ein ernstliches Nachdenken über die größten Gegenstände in der Natur und in den Sitten, eine fleißige Übung, alles auf große Gesichtspunkte zu führen, der Umgang mit großmütigen Männern, fleißiges und ernsthaftes Studium der erhabensten Werke der Künste, desto fähiger machen, durch seine Werke Bewunderung zu erwecken.

 

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*) S. Homes Grundsätze der Kritik 1 Teil S. 343. der deutschen Übers. von 1763.


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