Drama - (Inhalt und Stoff)
Diese Anmerkungen betreffen größtenteils das Äußere des Dramas, wodurch es natürlich und von anstößigen Fehlern der äußerlichen Form frei wird.
Wichtiger ist es, von seiner innerlichen Vollkommenheit bestimmte und richtige Begriffe zu haben. Das Schauspiel muss nicht nur, sowohl in seinem Inhalt überhaupt, als in seinen einzelnen Teilen, interessant sein und Menschen von Geschmack nicht nur in einer ununterbrochenen lebhaften Beschäftigung des Geistes und des Herzens unterhalten, sondern am Ende Eindrücke zurück lassen, die einen vorteilhaften Einfluss auf die Gemüter haben.
Die erste Sorge des Dichters geht auf die Wahl eines interessanten Inhalts. Er wählt einen Gegenstand, der für Menschen von Geschmack und von empfindsamen Herzen hinlängliche Reizung hat. Für einen Dichter von Genie, der den Menschen sowohl aus der Geschichte als aus der täglichen Beobachtung kennen gelernt hat, ist die Materie zum Drama unerschöpflich. Aus der Geschichte selbst stellen sich die größten oder die mächtigsten Männer dar, denen ganze Nationen ihr gutes oder schlechtes Schicksal zu verdanken haben. Er weiß sie wieder ins Leben zurück zu führen, uns fürs Gesichte zu stellen und uns zu Zeugen ihrer merkwürdigsten Taten zu machen, dass wir die großen Seelen eines Themistokles, eines Alexanders, eines Cicero und anderer klassischer Männer, in ihren Reden und Handlungen sich in unserer Gegenwart entfalten sehen. Noch mehr kann er reizen, wenn er die größten Männer seiner eigenen Nation, aus den verflossenen Jahrhunderten, seinen Zuschauern wieder vors Gesicht bringt. Will er seine Materie aus der allgemeinen Naturgeschichte des sittlichen Menschen nehmen, so hat er einen noch reicheren Stoff. Die verschiedenen Charaktere der Menschen, ihre seltsamen Schicksale, ihre Leidenschaften und derer Wirkungen, die mannigfaltige Lebensarten und Sitten der Völker und der verschiedenen Stände der Menschen, bieten sich ihm zur Bearbeitung dar.
An interessantem Stoff kann es dem dramatischen Dichter nie fehlen, wenn er nur selbst nach Beschaffenheit seiner Materie eine große oder eine empfindungsvolle Seele oder ein großes Maß von feinem Witz und guter Laune hat. Aber die Bearbeitung dieses Stoffes hat eigene Schwierigkeiten und mehr als irgend eine Art der Dichtung.
Gleich am Anfang der Handlung müssen sowohl die Personen als das Geschäft, welches sie vorhaben, die Neugierde der Zuschauer stark reizen. Diese müssen begierig werden, die Personen näher kennen zu lernen und zu sehen, was für Eindrücke das Geschäft auf sie machen, wie sie sich in den verschiedenen Fällen, die man voraus vermutet, betragen werden. Durch der gleichen Fragen muss die Aufmerksamkeit gleich von Anfang festgesetzt werden. Also muss der Dichter seiner Handlung einen guten Anfang zu geben wissen, der den Zuschauer gleich in bestimmte Erwartungen setzt und dieses ist insbesondere in der Komödie eine schwere Sache.
In dem Verfolg der Handlung muss die Neugierde zwar nach und nach befriedigt, aber immer durch neue Verwicklungen gereizt werden. Je mehr die Sachen gegen die Erwartung der Zuschauer laufen, dabei aber in völliger Wahrscheinlichkeit sind, desto größer wird ihr Vergnügen dabei sein.
Die Handlung muss von Zeit zu Zeit ihre Ruhepunkte haben, auf denen man etwas still stehen kann, um alles Vergangene zu übersehen und neue Erwartungen des Folgenden zu bilden. Dabei aber muss man die Hauptpersonen und das Hauptinteresse der Handlung nie aus dem Gesichte verlieren. Jede Unterbrechung, da Dinge vorkommen, deren Verbindung mit dem Ganzen nicht sogleich kann bemerkt werden, tut der Handlung Schaden.
Man muss oft denken, dass nun eine Entwicklung der Sache nahe sei und durch neue Hindernisse sie weiter hinausgesetzt sehen. Aber endlich müssen alle Erwartungen des Zuschauers völlig befriedigt werden und er muss am Ende jede Frage, die er sich währender Handlung gestellt hat, völlig beantwortet finden, so dass ihm von der ganzen Sache nichts mehr zu erfahren übrig bleibt und damit muss sich das Drama enden.