Das Übliche. Costume. (Schöne Künste) Ist in Vorstellungen, die aus der Geschichte der Völker genommen sind, das Zufällige, insofern es durch die allgemeine Gewohnheit des Volks und der Zeit, woraus der Gegenstand genommen ist, bestimmt wird; oder das, was mit den Moden und Gebräuchen der Völker und der Zeiten übereinkommt: wenn Römer als Römer, Griechen als Griechen, gekleidet sind, römische und griechische Gebräuche beobachten, und überhaupt in dem wahren Charakter ihrer Zeit vorgestellt werden, so sagt man, das. Übliche sei dabei beobachtet.
Die Beobachtung des Üblichen ist bisweilen notwendig, allezeit aber schicklich. Notwendig kann sie in Gemälden werden; weil sie oft das beste Mittel ist, den Inhalt des Stücks genau zu bezeichnen. Man erkennt oft aus dem Üblichen sogleich das Volk, die Zeit, den Stand der Personen und dadurch den Inhalt. Schicklich ist es überall, weil es der Vorstellung hilft, wenn man sich in die Sitten der Zeiten setzt und weil auch die Neuigkeit, die das Übliche einer Vorstellung aus entfernten Zeiten oder Orten gibt, die Aufmerksamkeit reizt. Grobe Fehler gegen das Übliche sind sehr anstößig. Unter den Malern hat keiner schwerer dagegen gesündiget als Paul der Veroneser, der die Jünger Christi allenfalls in Kleidern, die den späteren Mönchsorden eigen sind, vorstellt. Selbst der große Raphael, der sonst in allen Stücken so viel Verstand zeigt, ist nicht von Fehlern gegen das Übliche frei. Er hat eine heilige Familie in einem Stall gemalt, der mit korinthischen Säulen ausgeziert ist.
Der Maler ist aber nicht der einzige Künstler, der sich an das Übliche zu halten hat; sie müssen es alle tun, wo sie Dinge aus der Geschichte fremder Völker vorstellen. Es ist eben so anstößig, wenn die französischen Trauerspieldichter einem König von Sparta oder Mycene den Pomp und die Sprache eines persischen oder eines heutigen großen Monarchen beilegen als wenn ein Maler ähnliche Fehler begeht.
In der Aufführung der Trauerspiele ist es ungereimt, die alten Helden Roms und Griechenlandes in der gothischen Tracht, aus den Zeiten der irrenden Ritter oder ihre Gemahlinnen in großen Fischbeinröken zu sehen. Ich möchte zwar hierin keine pedantische Genauigkeit empfehlen; denn die Schaubühne hat nicht den Zweck uns in alten Moden und Gebräuchen zu unterrichten: aber das Übliche muss doch nicht bis zur Beleidigung übertreten werden; weil in diesem Falle die Zuschauer, die Kenntnis der Sachen haben, in ihrer Aufmerksamkeit auf die Hauptsachen gestört werden.
Es gehört aber weitläufige historische Kenntnis dazu, wenn der Künstler das Übliche überall beobachten soll. Doch werden auch die Hilfsmittel dazu nach und nach allgemeiner verbreitet. Die Kenntnis der griechischen, römischen und anderer Nationalaltertümer hat sich bereits ziemlich weit in das lesende Publikum ausgebreitet und es würde gegenwärtig keinen sehr großen Aufwand erfordern, zum Gebrauch der Kunstschulen fast alles zusammen zu bringen, was zum Unterricht in dem Üblichen der berühmtesten alten Völker erfordert wird.
Der Hr. von Hagedorn hat in seinen Betrachtungen über die Malerei eine artige Wendung gewählt, seine Gedanken über die Wichtigkeit dieses Punkts an den Tag zu legen, da er den Abschnitt, der davon handelt, Erinnerungen an das Übliche überschrieben hat. Dadurch scheint er anzuzeigen, dass man dem Künstler hierüber keine strenge Gesetze vorschreiben soll. Es ist freilich nicht alles, was zum Üblichen gehört gleich wichtig und man kann dem Künstler darin immer mehr übersehen als dem Gelehrten, der in einer toten Sprache schreibt und gegen das Übliche darin anstößt. Angenehm muss es aber allemal für Kenner sein, wenn sie es auch in Kleinigkeiten genau beobachtet finden.