Übereinanderstellung; Überstellung. (Baukunst) In großen und hohen Gebäuden, hauptsächlich bei Türmen geschieht es bisweilen, dass jedes der übereinanderstehenden Geschosse seine eigene Säulen hat. In diesen Fällen hat der Baumeister verschiedenes zu bedenken, um nicht gegen die Regeln anzustoßen.
Was zuerst hierbei in die Augen fällt, sind die zwei Grundsätze, auf welche das Wesentliche in der Übereinanderstellung ankommt. Dass die schwächere Ordnung oben, und die stärkere unten komme und dass die Säulen gerade übereinanderstehen, so dass die Axen der übereinanderstehenden Säulen in eine einzige senkrechte Linie fallen. Beides sind notwendige Regeln, deren Verabsäumung den Geschmack und das Auge beleidigen würde.
Allgemein wird die dorische Ordnung zu unterst gesetzt, darüber die ionische und wo drei Geschosse sind, über dieser die Corinthische oder Römische. Auf diese Weise ist die gehörige Abstufung der Stärke und Festigkeit von unten bis oben wohl beobachtet.
Die starke Ausladung der Gebälk könnte verhindern, dass man die Füße der darüberstehenden Säulen nicht mehr sehen könnte. Diesem wird entweder dadurch abgeholfen, dass die untern Gebälk weniger Ausladung über den Fries haben als ihnen zukäme oder dass die oberen Säulen auf eine über dem untern Gebälk weglaufende Plinthe gesetzt werden. Einige Baumeister setzen sie aus eben diesem Grunde auf Säulenstühle. Allein, zu geschweigen, dass sie, weil man die Füße dieser Säulenstühle nicht sehen kann, verstümmelt aussehen, so haben sie noch dieses Nachteilige, dass dadurch die edle Einfalt zu sehr aufgehoben wird.
Aus der anderen Regel folgt auch notwendig, dass die untere Dicke des Stammes der Säule, die auf einer anderen steht, nicht größer sein könne als die obere Dicke des Stammes an der darunterstehenden. Daher bekommt notwendig jedes Geschoß seinen Model, der aus dem Model der untersten Ordnung und der Regel der Verdünnung der Stämme bestimmt werden muss. Wenn also der untere Säulenstamm um 1/5 verdünnet oder eingezogen wird, so ist der Model der zweiten Ordnung 4/5 dessen, wonach die untere abgemessen ist. Ist noch eine dritte Ordnung über der zweiten, so ist deren Model große4/5 dessen, der in der zweiten gebraucht worden oder 16/25 dessen, der zu unterst angenommen worden.1 Dieses ist schlechterdings notwendig. Sollte es sich finden, dass dadurch eine der oberen Ordnungen in anderen Absichten zu niedrig würde, so weiß ein verständiger Baumeister sich durch andere Mittel als durch Übertretung einer so wesentlichen Regel zu helfen. Er kann die Plinthe höher machen oder anstatt der Plinthe einen hohen gerade durch das ganze Geschoß laufenden Fuß anbringen, um die Höhe zu erreichen.
Ein Hauptumstand ist hier noch zu bedenken. Weil die Axen der Säulen notwendig auf einander treffen müssen, die Model aber in der Höhe immer kleiner werden, so wird auch die Säulenweite in jedem Geschoß anders. Wenn sie z.B. unten 8 Model ist, so ist sie in der nächsten Ordnung 10 und in der dritten 121/2 Model. Dieses kann in den Fällen, wo jede Ordnung Balken- oder Sparrenköpfe oder Zahnschnitte hat, den Baumeister in große Verlegenheit setzen; weil auch die Mitte dieser Teile durch alle Geschosse auf einander und allemal eine auf die Axe der Säulen treffen muss. Daher kommt es, dass auch von guten Baumeistern häufige Fehler, die daher entstehen, nicht vermieden worden sind. Um so viel mehr hat man Ursache, wegen der Ausmessung dieser Teile, die Goldmannische Regeln anzunehmen, welche allen diesen Schwierigkeiten am sichersten abhelfen.2
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1 S. Model.
2 S. Ordnung.