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I. [Die Bestechung]

 

Es kommt dazu, daß gerade die außerordentliche Höhe der Kaufsumme für Werte, die solchem Handel entzogen sein sollten, oft eine gewisse Garantie dafür gibt, daß das mit Ihm attakierte öffentliche Interesse keinen allzugroßen Schaden leidet. Daß englische Könige die großen Ämter verkauften, bewirkte doch mindestens, daß die Käufer sich gut zu führen bestrebten: ein Mann, so heißt es, who had paid £ 10000 for the seals was not likely to forfeit them for the sake of a petty malversation which many rivals would be ready to detect. Wenn ich die Heimlichkeit der Bestechung oben als eine Schutzvorrichtung für das Subjekt bezeichnete, so ist, genau entsprechend, ihre Öffentlichkeit eine solche für die öffentlichen Interessen. Dies ist das Korrektiv, durch das diese gigantischen Korruptionen gewissermaßen legitim waren - sie ließen sich eben nicht verbergen und so konnte man sich sozusagen mit ihnen einrichten. Darum sind Bestechungen auch in einfachen Verhältnissen leichter erträglich. Von Aristides wird als etwas fast Unerhörtes hervorgehoben, daß er trotz seiner vielen diskretionären Gewalten arm gestorben ist. In den kleinen antiken Stadtstaaten erschütterte die Unehrlichkeit Einzelner noch nicht die Fundamente des Ganzen, weil sie nur zu einem sehr kleinen Teil geldwirtschaftliche und weil die Verhältnisse durchsichtig und unkompliziert waren, so daß sie leicht wieder ins Gleichgewicht zu bringen waren. Darum hat man mit Recht gesagt, daß sich das Schicksal Athens jeden Tag auf der Pnyx entschied. Bei den modernen hoch zusammengesetzten Verhältnissen des öffentlichen Lebens mit seinen tausend unterirdischen, überall hin ausstrahlenden, wesentlich geldwirtschaftlichen Kräften wirkt Beamtenbestechlichkeit sehr viel verderblicher.

In allem hier Erörterten handelte es sich um den Verkauf von Werten, die zwar personaler, aber doch nicht subjektiver Natur sind, durch deren Bewahrung die Persönlichkeit - im Gegensatz zu den Werten subjektiven Genießens - einen objektiven Wert an sich selbst empfindet. Daß der Komplex der Lebenskräfte, den man in die Ehe hineingibt, dabei der Richtung des eigenen Instinktes folge; daß die Frau sich nur da ganz hingebe, wo der Mann dies mit gleichwertigen Empfindungen erwidert; daß Worte und Taten der folgsame Ausdruck von Überzeugungen und Verpflichtungen sind - dies alles bedeutet nicht sowohl einen Wert, den wir haben, als einen, der wir sind. Indem man alles dies für Geld aufgibt, hat man sein Sein gegen ein Haben ausgetauscht. Gewiß sind beide Begriffe aufeinander zurückführbar. Denn alle Inhalte unseres Seins bieten sich uns als Besitz jenes an sich ganz inhaltlosen, rein formalen Zentrums in uns, das wir als unser gleichsam punktuelles Ich und als das habende Subjekt, gegenüber all seinen Qualitäten, Interessen, Gefühlen, als gehabten Objekten, empfinden; und andrerseits ist Besitz, wie wir sahen, ein Ausdehnen unserer Machtsphäre, ein Verfügenkönnen über Objekte, die eben damit in den Umkreis unseres Ich hineingezogen werden. Das Ich, unser Wollen und Fühlen, setzt sich in die Dinge hinein fort, die es besitzt: von. der einen Seite gesehen hat es auch sein Innerlichstes, insoweit es nur ein einzelner, angebbarer Inhalt ist, doch schon außer sich, als ein objektives, seinem Zentralpunkt erst zugehöriges Haben, von der anderen her hat es auch sein Äußerlichstes, insoweit es wirklich sein Besitz ist, in sich; indem es die Dinge hat, sind sie Kompetenzen seines Seins, das ohne jedes einzelne dieser ein anderes wäre. Logisch und psychologisch betrachtet ist es also willkürlich, zwischen Sein und Haben einen Grenzstrich zu ziehen. Wenn wir diesen dennoch als sachlich berechtigt empfinden, so ist es, weil Sein und Haben, auf ihren Unterschied hin angesehen, keine theoretisch-objektiven, sondern Wertbegriffe sind. Es ist eine bestimmte Wertart und Wertmaß, die wir unseren Lebensinhalten zusprechen, wenn wir sie als unser Sein, eine andere, wenn wir sie als unser Haben bezeichnen. Denn deutet man von diesen Inhalten diejenigen, welche dem rätselhaften Ich-Mittelpunkt nahe liegen, als unser Sein, die entfernteren als unser Haben, so ist ihre Rangierung auf dieser - jede scharfe Abgrenzung offenbar ausschließenden - Reihe doch nur durch die Verschiedenheit der Wertgefühle herstellbar, von denen die einen und die anderen begleitet werden. Wenn wir an jenen Verkäufen das, was wir fortgeben, unserem Sein, und das, was wir bekommen, unserem Haben zurechnen, so ist das nur ein indirekter Ausdruck dafür, daß wir ein intensiveres, dauernderes, den ganzen Umkreis des Lebens berührendes Wertgefühl für ein unmittelbareres, dringlicheres, momentaneres vertauschen.

 


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