Home  Impressum  Copyright

III. [Die Höhenunterschiede der Arbeit als Quantitätsunterschiede]

 

Daß die Bedeutung der geistigen Arbeit auf die der physischen reduziert werde, ist schließlich nur eine Seite der ganz allgemeinen Tendenz, eine Einheit des Arbeitsbegriffes herzustellen. Das Gemeinsame aller mannigfaltigen Arten der Arbeit - einer viel weiteren und abgestufteren Mannigfaltigkeit, als der bloße Gegensatz zwischen physischer und psychischer Arbeit zeigt - gilt es aufzufinden. Damit wäre theoretisch wie praktisch außerordentlich viel gewonnen, soviel wie entsprechend mit der Tatsache des Geldes; man hätte nun die generelle, qualitative Einheit, auf Grund deren alle Wertverhältnisse zwischen den Ergebnissen menschlicher Tätigkeit rein quantitativ, durch ein bloßes Mehr oder Weniger, auszudrücken wären. Auf allen Gebieten hat dies den wesentlichen Fortschritt der Erkenntnis bedeutet: daß die qualitative Abwägung der Objekte gegeneinander, die immer eine relativ unsichere und unexakte bleibt, in die allein unzweideutige quantitative übergeführt wird, indem eine durchgängige innere Einheit an ihnen festgestellt wird und diese nun, als überall dieselbe und selbstverständliche, in der Berechnung der relativen Bedeutungen der Einzelheiten keine Berücksichtigung mehr verlangt. Auf sozialistischer Seite ist dies offenbar eine bloße Fortsetzung und Konsequenz der Bestrebung, alle Werte überhaupt auf ökonomische, als ihren Ausgangspunkt und ihre Substanz zurückzuführen. Und auf dieser Bestrebung mußte sie unvermeidlich münden, wenn sie ihre Nivellierungstendenz zu Ende dachte. Denn auf dem Gebiete des ökonomischen kann man allenfalls eine Gleichheit der Individuen als möglich denken; auf allen anderen: intellektuellen, gefühlsmäßigen, charakterologischen, ästhetischen, ethischen usw. würde das Nivellement, selbst nur das der »Arbeitsmittel«, von vornherein aussichtslos sein. Will man es dennoch unternehmen, so bleibt nichts übrig, als diese Interessen und Qualitäten irgendwie auf jene, die allein eine annähernde Gleichmäßigkeit der Verteilung gestatten, zu reduzieren. Ich weiß wohl, daß der heutige wissenschaftliche Sozialismus die mechanisch-kommunistische Gleichmacherei von sich weist und nur eine Gleichheit der Arbeitsbedingungen herstellen will, von der aus die Verschiedenheit der Begabung, Kraft und Bemühung auch zu einer Verschiedenheit der Stellung und des Genusses führen soll. Allein dem heutigen Zustand gegenüber, in dem Erbrecht, Klassenunterschiede, Akkumulation des Kapitals und alle möglichen Chancen der Konjunktur weit größere als den individuellen Betätigungsunterschieden entsprechende Abstände erzeugen - würde jenes nicht nur tatsächlich eine wesentliche Ausgleichung in jeder Hinsicht bedeuten, sondern die Ausgleichung auch der Besitz- und Genußmomente scheint mir auch heute noch für die Massen das eigentlich wirksame Agitationsmittel zu sein. Wenn der historische Materialismus zum wissenschaftlichen Beweisgrund der sozialistischen Lehre gemacht worden ist, so geht hier, wie so oft, der systematische Aufbau den umgekehrten Weg wie der schöpferische Gedankengang, und man hat nicht aus dem unabhängig festgestellten historischen Materialismus die sozialistische Theorie logisch gefolgert, sondern die praktisch feststehende sozialistisch- kommunistische Tendenz hat sich erst nachträglich den für sie allein möglichen Unterbau geschaffen, die ökonomischen Interessen als den Quellpunkt und Generalnenner aller anderen zu deklarieren. Ist dies aber einmal geschehen, so muß sich die gleiche Tendenz in das Gebiet des ökonomischen selbst fortsetzen und die Mannigfaltigkeit seiner Inhalte auf eine Einheit bringen, die über alles individuelle Leisten die Möglichkeit einer Gleichheit und äußerlich nachweisbaren Gerechtigkeit stellt.

Denn die Behauptung, der Wert aller wertvollen Objekte bestehe in der Arbeit, die sie gekostet haben, genügt für diesen Zweck noch nicht. Damit könnte sich nämlich noch immer die qualitative Verschiedenheit der Arbeit vereinigen, derart, daß ein geringeres Quantum höherer Arbeit einen gleichen oder höheren Wert bildete, wie ein erhebliches von niederer Arbeit. Hierdurch aber wäre eine ganz andere als die beabsichtigte Wertskala eingeführt. Die entscheidenden Eigenschaften der Feinheit, Geistigkeit, Schwierigkeit würden zwar auch dann immer noch mit und an der Arbeit produziert, realisierten sich nur als Attribute ihrer; allein das Wertmoment ruhte nun doch nicht mehr auf der Arbeit als Arbeit, sondern auf der nach einem ganz selbständigen Prinzip aufgebauten Ordnung der Qualitäten, für die die Arbeit als solche, die das Allgemeine aller Arbeitsqualitäten ist, nur der für sich noch irrelevante Träger wäre. Damit wäre die Arbeitstheorie in dasselbe Dilemma gebracht, dem die moral-philosophische Lehre unterlegen ist, daß die Produktion von Glücksgefühlen der alsolute ethische Wert sei. Ist nämlich die Handlung wirklich in dem Maße sittlich, in dem sie Glück zur Folge hat, so bedeutet es eine Durchbrechung des Prinzips und die Einführung neuer definitiver Wertmomente, wenn das reinere, geistigere, vornehmere Glück als das wertvollere gepriesen wird. Denn dann wäre der Fall möglich, daß ein solches Glück, wenngleich quantitativ, d.h. als bloßes Glück, geringer als ein niedriges, sinnliches, selbstisches, dennoch diesem gegenüber das sittlich erstrebenswertere wäre. Die ethische Glückseligkeitstheorie ist deshalb nur dann konsequent, wenn alle ethischen Unterschiede sinnlichen und geistigen, epikureischen und asketischen, egoistischen und mitfühlenden Glückes im letzten Grunde, alle Begleit- und Folgeerscheinungen eingerechnet, bloße Maßunterschiede einer und derselben, qualitativ immer gleichen Glücksart sind. Ebenso muß die konsequente Arbeitstheorie es durchführen können, daß alle die unzweideutig empfundenen und nicht wegzudisputierenden Wertunterschiede zwischen zwei Leistungen, die als Arbeit extensiv und intensiv gleich erscheinen, im letzten Grunde nur bedeuten, daß in der einen mehr Arbeit verdichtet ist, als in der anderen, daß nur der erste und flüchtige Blick sie für gleiche Arbeitsquanten hält, der tiefer dringende aber ein tatsächliches Mehr oder Weniger von Arbeit als den Grund ihres Mehr oder Weniger von Wert entdeckt.

 


 © textlog.de 2004 • 27.12.2024 22:24:54 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.09.2004