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II. [Die Wertdifferenz zwischen persönlicher Leistung und Geldäquivalent]

 

Daß der Geldwert der Dinge nicht restlos das ersetzt, was wir an ihnen selbst besitzen, daß sie Seiten haben, die nicht in Geld ausdrückbar sind - darüber will die Geldwirtschaft mehr und mehr hinwegtäuschen. Wo es dennoch nicht zu verkennen ist, daß die in Geld erfolgende Schätzung und Hingabe sie der abschleifenden Banalität des täglichen Verkehrs nicht entziehen kann, da sucht man wenigstens manchmal eine Geldform dafür, die von der alltäglichen weit absteht. Die älteste italische Münze war das Kupferstück ohne bestimmte Form, das deshalb nicht gezählt, sondern gewogen wurde. Und nun wurde bis in die Kaiserzeit hinein, bei einem unvergleichlich verfeinerten Geldwesen, dieses formlose Kupferstück sowohl zu religiösen Spenden, wie als juristisches Symbol mit Vorliebe verwendet. Daß der neben dem Geldwert liegende Wert der Dinge sich dennoch Anerkennung erzwingt, liegt besonders nahe, wenn nicht eine Substanz, sondern eine persönlich ausgeübte Funktion verkauft wird, und wenn diese nicht nur in ihrer äußerlichen Verwirklichung, sondern auch ihrem Inhalte nach individuellen Charakter trägt. Die folgende Erscheinungsreihe mag das klar machen. Wo Geld und Leistungen ausgetauscht werden, da beansprucht zwar der Geldgeber nur das festgestellte Objekt, die sachlich umschriebene Leistung. Der sachlich Leistende dagegen verlangt, wünscht wenigstens, in vielen Fällen noch etwas mehr, außer dem Gelde. Wer in ein Konzert geht, ist zufrieden, wenn er für sein Geld die erwarteten Stücke in erwarteter Vollendung hört; der Künstler ist aber mit dem Gelde nicht zufrieden, er verlangt auch Beifall. Wer sich malen läßt, ist befriedigt, wenn er das hinreichend gelungene Porträt in Händen hat; der Maler aber nicht, wenn er den verabredeten Preis in Händen hat, sondern erst, wenn ihm noch dazu subjektive Anerkennung und übersubjektiver Ruhm zu teil wird. Der Minister verlangt nicht nur den Gehalt, sondern auch den Dank des Fürsten und der Nation, der Lehrer und der Geistliche nicht nur ihre Bezüge, sondern auch Pietät und Anhänglichkeit, ja, der bessere Kaufmann will nicht nur Geld für seine Ware, sondern auch, daß der Käufer zufrieden sei - und das keineswegs immer nur, damit er wiederkomme. Kurz, sehr viele Leistende beanspruchen außer dem Gelde, das sie objektiv als das zureichende Äquivalent ihrer Leistung anerkennen, doch noch eine persönliche Anerkennung, irgendein subjektives Bezeigen des Bezahlers, das jenseits seiner verabredeten Geldleistung steht und diese für das Gefühl des Empfangenden erst zur vollen Äquivalenz mit seiner Leistung ergänzt. Hier haben wir das genaue Gegenstück der Erscheinung, die ich im dritten Kapitel als das Superadditum des Geldbesitzes beschrieb. Dort wuchs dem Geldgebenden außer dem präzisen Gegenwert seiner Aufwendung noch ein Mehr aus dem über jeden einzelnen Objektwert hinausgreifenden Charakter des Geldes zu. Aber eben seinem Wesen, das am meisten von allen empirischen Dingen, mit Jakob Böhme zu reden, Wurf und Gegenwurf miteinander verbindet, entspricht diese Ausgleichung: personale Darbietungen die gerade über ihr Geldäquivalent hinaus noch ein Plus fordern. Und wie dort nach der Seite des Geldes, so drückt sich hier nach der Seite der Leistung der Anspruch über den direkten Austausch hinaus in einer Sphäre aus, die die Persönlichkeit als der geometrische Ort ihrer Ansprüche umgibt und jenseits jedes einzelnen von diesen besteht. Der Saldo, der auf diese Weise bei dem Austausch von Geld und personaler Leistung zugunsten der letzteren bleibt, kann so sehr als das Überwiegende empfunden werden, daß die Annahme eines Geldäquivalentes schon die Leistung und damit die Person herabzusetzen scheint: als würde, was man an Geld erhält, jenem idealen Lohne abgeschrieben, von dem man sich doch keinen Abzug gefallen lassen will; so wissen wir von Lord Byron, daß er Verlegerhonorare nur mit den peinlichsten Empfindungen angenommen hat. Wo die gelderwerbende Tätigkeit schon als solche des Ansehens entbehrt, wie im klassischen Griechenland (weil man die soziale Bedeutung und Produktivität des Geldkapitals noch nicht kannte, dieses vielmehr nur der egoistischen Konsumtion dienstbar glaubte) - da steigert sich diese Deklassierung noch besonders angesichts persönlich- geistiger Leistungen: etwa, für Geld zu lehren und überhaupt geistig zu arbeiten, erschien als Entwürdigung der Person. Gegenüber allen aus dem Kern der Persönlichkeit quellenden Betätigungen ist es eine oberflächliche, die wirkliche Gefühlsweise gar nicht treffende Vorstellung, daß man »seinen Lohn dahin haben« könne. Kann man etwa die Aufopferungen der Liebe durch irgendein Tun, selbst ein gleich wertvolles, aus gleich starkem Gefühle fließendes, völlig vergelten? Es bleibt immer ein Verpflichtungsverhältnis des Ganzen der Persönlichkeiten bestehen, das vielleicht gegenseitig ist, aber sich der Aufrechnung auch durch die Gegenseitigkeit prinzipiell entzieht. Ebensowenig kann ein Vergehen, soweit es innerlicher Natur ist, durch die Strafe so gesühnt werden, als ob es nun ungeschehen wäre, wie etwa der äußerlich angerichtete Schaden es kann. Wenn der Schuldige nach erduldeter Strafe eine völlige Entsündigung fühlt, so entsteht dies nicht aus einem Quittsein mit der Sünde durch die gezahlte Strafe, sondern aus einer durch diese bewirkten innerlichen Umwandlung, die die Wurzel der Sünde zerstört. Die bloße Strafe aber zeigt ihre Unfähigkeit, die Missetat wirklich zu begleichen, in dem weiterwirkenden Mißtrauen und der Deklassierung, die der Sünder trotz ihrer noch erfährt. Was ich früher ausführte: daß es zwischen qualitativ verschiedenen Elementen keine unmittelbare Äquivalenz wie zwischen Aktiven und Passiven eines Kontokorrents geben könne - das gewinnt seine gründlichste Bewährung an den Werten, in denen sich die individuelle Persönlichkeit verkörpert, und wird in dem Maße ungültiger, in dem die Werte, von dieser Wurzel gelöst, selbständigdinglichen Charakter annehmen, sich so ins Unendliche dem Geld nähernd, das der schlechthin inkommensurablen Persönlichkeit gegenüber das schlechthin Kommensurable, weil das absolut Sachliche ist. Es hat einerseits etwas Grauenhaftes, sich die tiefe gegenseitige Unangemessenheit der Dinge, Leistungen, psychischen Werte vorzustellen, die wir immerfort wie wirkliche Äquivalente gegeneinander einsetzen; andrerseits gibt gerade diese Unvergleichbarkeit von Lebenselementen, ihr Recht, von keinem angebbaren Äquivalent genau gedeckt zu werden, dem Leben doch einen unersetzlichen Reiz und Reichtum. Daß die personalen Werte durch das Geld, für das sie dargeboten werden, gar nicht ausgeglichen werden, mag einerseits, der Grund von unzähligen Ungerechtigkeiten und tragischen Situationen sein; aber andrerseits erhebt sich doch gerade daran das Bewußtsein von dem Werte des Persönlichen, der Stolz des individuellen Lebensinhaltes, sich durch keine Steigerung bloß quantitativer Werte aufgewogen zu wissen. Diese Inadäquatheit wird, wie wir es schon so oft als typisch erkannten, bei sehr hohen Summen als Gegenwerten gemildert, weil diese ihrerseits von jenem Superadditum umschwebt werden, von phantastischen, über die Zahlbestimmtheit hinausgreifenden Möglichkeiten, die, in ihrer Art, der in die Einzelleistung hineingegebenen und doch über jede Einzelleistung hinausreichenden Persönlichkeit korrespondieren. Deshalb mag man gewisse Objekte oder Leistungen für sehr vieles Geld wohl hingeben; aber wenn dies nicht erlangbar ist, so verschenkt man sie lieber, als daß man wenig Geld dafür nehme. Denn nur dies, aber nicht jenes deklassiert sie. Aus diesem Gefühlszusammenhang heraus müssen unter feiner empfindlichen Menschen Geschenke, die den Charakter persönlicher Huldigung haben, ihren Geldwert gleichsam unsichtbar machen: bei Blumen und Näschereien, die man einer fernerstehenden Dame allein zu schenken wagen darf, wirkt die rasche Vergänglichkeit wie eine Aufhebung jedes substanziellen Wertes.

 


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