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II. [Die Umwandlung von Rechten spezifischen Inhalts in Geldforderungen]

 

[Die Umwandlung von Rechten spezifischen Inhalts in Geldforderungen. Die Erzwingbarkeit. Die Umsetzung von Sachwerten in Geldwert: der negative Sinn der Freiheit und die Entwurzelung der Persönlichkeit. Die Wertdifferenz zwischen persönlicher Leistung und Geldäquivalent.]

 

In dem Kapitel über individuelle Freiheit haben wir festgestellt, wie sehr die Umwandlung von naturalen Verpflichtungen in Geldleistungen dem Vorteil beider Parteien dienen kann, welche Steigerung seiner Freiheit und Würde insbesondere der Verpflichtete daraus zieht. Diese Bedeutung des Geldes für die personalen Werte muß nun aber durch eine Entwicklungsreihe von entgegengesetzter Richtung ergänzt werden.

Der günstige Erfolg jener Umwandlung hängt daran, daß der Verpflichtete bisher eine persönliche Kraft und individuelle Bestimmtheit in das Verhältnis eingesetzt hat, ohne ein entsprechendes Äquivalent zu erhalten. Was ihm die andere Partei bot, war rein sachlicher Natur; die Rechte, die er aus dem Verhältnis zog, waren relativ unpersönliche, die Pflichten, die es ihm auferlegte, ganz persönliche. Indem nun die Form der Geldleistung seine Pflichten entpersonalisierte, glich sich diese Unverhältnismäßigkeit aus. Ein ganz anderer Erfolg aber wird eintreten, wenn der Verpflichtete nicht mit einer sachlichen Gegenleistung glatt abgefunden wird, sondern wenn ihm aus dem Verhältnis ein Recht, ein Einfluß, eine personale Bedeutsamkeit zuwächst, und zwar gerade, weil er diese bestimmte personale Leistung in dasselbe hineingibt. Dann muß die durch die Geldform zu bewirkende Objektivierung der Beziehung ebenso ungünstig wirken, wie vorher günstig. Die Herabdrückung der Bundesgenossen Athens in eine direkte, größere oder geringere Abhängigkeit begann damit, daß ihr Tribut an Schiffen und Kriegsmannschaften in bloße Geldabgaben verwandelt wurde. Diese scheinbare Befreiung von ihrer mehr personalen Verpflichtung enthielt eben den Verzicht auf eigene politische Betätigung, auf die Bedeutung, die man nur auf den Einsatz einer spezifischen Leistung, auf die Entfaltung realer Kräfte hin beanspruchen darf. In jener Pflicht waren doch unmittelbare Rechte enthalten: die von ihnen selbst gelieferte Kriegsmacht konnte nicht so gegen ihre eigenen Interessen verwandt werden, wie es mit dem von ihnen gelieferten Geld möglich war. Die Naturallieferung besteht, kantisch zu reden, aus der Pflicht als ihrer Form und dem speziellen Inhalt und Gegenstand als ihrer Materie. Diese Materie kann nun für sich gewisse Nebenwirkungen haben; sie kann z.B. als Arbeit der fronpflichtigen Bauern die Persönlichkeit und Bewegungsfreiheit derselben arg beschränken, sie kann aber auch als naturaler Beitrag zu den kriegerischen Unternehmungen eitler Vormacht diese zu einer gewissen Rücksicht auf die Beitragenden zwingen. Während die Pflicht als solche in beiden Fällen die gleiche ist, wird die Materie, deren Form sie bildet, sie in dem einen Fall für den Verpflichteten schwer, in dein anderen relativ günstig gestalten. Wenn nun Geldzahlung an die Stelle dieser naturalen Leistungen tritt, wird das materielle Moment eigentlich ausgeschaltet, es verliert jede folgenreiche Qualität, so daß sozusagen nur die reine ökonomische Pflicht in der abstraktesten Verwirklichung, die sie überhaupt finden kann, zurückbleibt. Diese Reduktion ihrer wird deshalb in dem ersten der obigen Fälle das Fortfallen einer Erschwerung, in dem zweiten das einer Erleichterung bedeuten, und der Leistende wird also in diesem ebenso herabgedrückt werden, wie er in jenem erhoben wurde. Wir finden deshalb die Umwandlung der personalen Dienstpflicht in eine Geldzahlung öfters als eine bewußte Politik, durch die die Machtstellung der Verpflichteten heruntergesetzt werden soll, z.B. bei Heinrich II. von England, der es einführte, daß die Ritter, anstatt ihm in die kontinentalen Kriege zu folgen, ihre Dienste mit Geld ablösen konnten. Viele mögen darauf eingetreten sein, weil es im Augenblick als eine Erleichterung und Befreiung des einzelnen erschien. Tatsächlich indes bewirkte es eine Entwaffnung der Feudalpartei, die der König am meisten zu fürchten hatte, und zwar gerade wegen derjenigen kriegerischen Qualitäten, auf die er selbst bis dahin angewiesen war. Da bei der Mannschaftsgestellung seitens der Bezirke und Städte kein derartiges individuelles Element mitwirkte, so hatte für sie sich uns oben das Umgekehrte ergeben: der Gewinn von Freiheit durch die Geldablösung jener Verpflichtung. Was uns all diese Erscheinungen hier so wichtig macht, ist, daß man aus ihnen den Zusammenhang ganz fundamentaler Lebensgefühle mit ganz äußerlichen Tatsachen ablesen kann. Darum ist auch hier die Erkenntnis wesentlich, daß die Bestimmungen, die das Geld jene Zusammenhänge vermitteln lassen, an ihm zwar am reinsten und prägnantesten, aber doch nicht an ihm allein hervortreten.

 


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