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I. [Die typische Beziehung zwischen Geld und Prostitution, ihre Entwicklung analog der Mordsühne]

 

Hierauf gründet es sich, daß die fürchterliche, in der Prostitution liegende Entwürdigung in ihrem Geldäquivalent den schärfsten Ausdruck findet. Sicherlich bezeichnet es den Tiefpunkt der Menschenwürde, wenn eine Frau das Intimste und Persönlichste, das nur aus einem ganz individuellen Impuls geopfert und nur mit der gleichen personalen Hingabe des Mannes - so sehr diese eine andere Bedeutung haben dürfte als die der Frau - aufgewogen werden sollte, gerade um einer so ganz unpersönlichen, rein äußerlich-sachlichen Vergeltung willen dahingibt. Wir empfinden hier die völligste und peinlichste Unangemessenheit zwischen Leistung und Gegenleistung; oder vielmehr, das eben ist die Erniedrigung durch die Prostitution, daß sie den persönlichsten und auf die größte Reserve angewiesenen Besitz der Frau so herabsetzt, daß der allerneutralste, allem Persönlichen fernste Wert als angemessenes Äquivalent für ihn empfunden wird. Diese Charakterisiertheit der Prostitution durch die Geldentlohnung trifft indes auf einige gegenteilige Überlegungen, die erörtert werden müssen, um jene Bedeutung des Geldes ganz scharf hervortreten zu lassen.

Der ganz personale, intim-individuelle Charakter, den die sexuelle Hingabe der Frau tragen soll, scheint mit der oben betonten Tatsache nicht recht übereinzustimmen, daß die bloß sinnliche Beziehung zwischen, den Geschlechtern rein generellen Wesens sei, daß in ihr, als dem absolut Allgemeinen, und uns sogar mit dem Tierreich Gemeinsamen, gerade alle Personalität und individuelle Innerlichkeit ausgelöscht wäre. Wenn die Männer so sehr geneigt sind, über die Frauen »im Plural« zu sprechen, über sie in Bausch und Bogen und alle gleichsam in einen Topf werfend zu urteilen, so ist allerdings einer der Gründe dafür sicherlich auch der, daß dasjenige, was insbesondere die Männer von roherer Sinnlichkeit an den Frauen interessiert, eben dasselbe an der Schneiderin wie an der Prinzessin ist. So scheint es ausgeschlossen, gerade in dieser Funktion einen eigentlichen Persönlichkeitswert zu finden; alle anderen von ähnlicher Allgemeinheit: Essen und Trinken, die regulären physiologischen, ja psychologischen Tätigkeiten, der Trieb der Selbsterhaltung und die typisch-logischen Funktionen, werden niemals mit der Persönlichkeit als solcher in solidarische Verbindung gesetzt, niemals empfindet man, daß jemand gerade in der Ausübung oder Darbietung dessen, was ihm mit allen Anderen ununterscheidbar gemeinsam ist, sein Innerstes, Wesentliches, Umfassendstes äußere oder fortgebe. Dennoch liegt bei der geschlechtlichen Hingabe der Frau diese Anomalie unleugbar vor: dieser ganz generelle, für alle Schichten der Menschen gleichmäßige Akt wird tatsächlich - wenigstens für die Frau - zugleich als ein allerpersönlichster, ihr Innerliches einschließender empfunden. Dies kann verständlich werden, wenn man sich der Meinung anschließt, daß die Frauen überhaupt noch tiefer in den Gattungstypus eingesenkt sind als die Männer, von denen sich der Einzelne differenzierter und individualisierter aus jenem heraushebt. Daraus würde zunächst folgen, daß bei der Frau das Gattungsmäßige und das Persönliche eher zusammenfallen kann. Hängen die Frauen wirklich noch enger und tiefer als der Mann mit dem dunkeln Urgrund der Natur zusammen, so wurzelt ihr Wesentlichstes und Persönlichstes eben auch noch kräftiger in jenen natürlichsten, allgemeinsten, die Einheit der Art garantierenden Funktionen. Und es folgt weiter, daß jene Einheitlichkeit des weiblichen Geschlechts, die das, was allen gemeinsam ist, weniger scharf von dem, was jede für sich ist, unterscheidet - daß diese sich in der größeren Einheitlichkeit des Wesens jeder einzelnen Frau für sich spiegeln muß. Die Erfahrung scheint zu bestätigen, daß die einzelnen Kräfte, Qualitäten, Impulse der Frau psychologisch unmittelbarer und enger zusammenhängen, als beim Manne, dessen Wesensseiten selbständiger ausgebildet sind, so daß Entwicklung und Schicksal jeder einzelnen von dem jeder anderen relativ unabhängig sind. Das Wesen der Frau aber lebt - so kann man wenigstens die allgemeine Meinung über sie zusammenfassen - viel mehr unter dem Zeichen des Alles oder Nichts, ihre Neigungen und Betätigungen stehen in engeren Assoziationen, und es gelingt leichter bei ihnen als bei Männern, die Gesamtheit des Wesens mit allen seinen Gefühlen, Wollungen, Gedanken von einem Punkte aus aufzuregen. Wenn sich dies so verhält, so liegt eine gewisse Berechtigung in der Voraussetzung, daß die Frau mit dieser einen zentralen Funktion, mit der Hingabe dieses einen Teiles ihres Ich, wirklich ihre ganze Person vollständiger und unreservierter dahingegeben habe, als der differenziertere Mann es bei der gleichen Gelegenheit tut. Schon auf harmloseren Stufen des Verhältnisses zwischen Mann und Frau macht sich dieser Unterschied seiner Bedeutung für beide geltend; sogar Naturvölker normieren die Bußen, welche der Bräutigam, bzw. die Braut bei einseitiger Aufhebung des Verlöbnisses zu zahlen haben, für beide verschieden, und zwar so, daß z.B. bei den Bakaks diese fünf Gulden, jener aber zehn zu zahlen hat, bei den Bewohnern von Bengkulen der kontraktbrüchige Bräutigam vierzig, die Braut nur zehn Gulden. Die Bedeutung und die Folgen, welche die Gesellschaft an die sinnliche Beziehung zwischen Mann und Weib knüpft, stehen dementsprechend auch unter der Voraussetzung, daß die Frau ihr ganzes Ich, mit der Gesamtheit seiner Werte, jener dagegen nur einen Teil seiner Persönlichkeit in den Tausch gegeben habe. Sie spricht deshalb einem Mädchen, das sich einmal vergangen hat, die »Ehre« schlechthin ab, sie verurteilt den Ehebruch der Frau viel härter als den des Mannes, von dem man anzunehmen scheint, daß sich eine gelegentliche, rein sinnliche Extravaganz noch mit der Treue gegen seine Frau in allem Innerlichen und Wesentlichen wenigstens vertragen könne, sie deklassiert die Prostituierte ganz unrettbar, während der schlimmste Wüstling sich noch immer gleichsam an den übrigen Seiten seiner Persönlichkeit aus dem Sumpfe herausziehen und jegliche soziale Stellung erobern kann. In den rein sinnlichen Akt also, um den es sich bei der Prostitution handelt, setzt der Mann nur ein Minimum seines Ich, die Frau aber ein Maximum ein - freilich nicht in dem einzelnen Fall, wohl aber in allen Fällen zusammengenommen; ein Verhältnis, aus dem sowohl das Zuhältertum wie die als häufig angegebenen Fälle der lesbischen Liebe unter den Prostituierten verständlich werden: weil die Prostituierte aus ihren Beziehungen zu Männern, in welche diese niemals als wirkliche und ganze, Menschen eintreten, eine fürchterliche Leere und Unbefriedigtheit davontragen muß, sucht sie eine Ergänzung durch jene Verhältnisse, an denen doch wenigstens noch einige sonstige Seiten des Menschen beteiligt sind. Weder der Gedanke also, daß der Geschlechtsakt etwas Generelles und Unpersönliches wäre, noch die Tatsache, daß der Mann an demselben, äußerlich betrachtet, ebenso beteiligt ist wie die Frau, kann das behauptete Verhältnis umstoßen: daß der Einsatz der Frau ein unendlich persönlicherer, wesentlicherer, das Ich umfassenderer ist, als der des Mannes, und daß das Geldäquivalent dafür also das denkbar Ungeeignetste und Unangemessenste ist, dessen Geben und Annehmen die tiefste Herabdrückung der Persönlichkeit der Frau bedeutet. - Das Entwürdigende der Prostitution für die Frau liegt an und für sich noch nicht in ihrem polyandrischen Charakter, noch nicht darin, daß sie sich vielen Männern hingibt; eigentliche Polyandrie verschafft sogar der Frau oft ein entschiedenes Übergewicht, z.B. bei der relativ hochstehenden Gruppe der Nairs in Indien. Allein das hier Wesentliche ist nicht, daß die Prostitution Polyandrie, sondern daß sie Polygynie bedeutet. Diese eben setzt allenthalben den Eigenwert der Frau unvergleichlich herab: sie verliert den Seltenheitswert. Äußerlich angesehen, vereinigt die Prostitution ja polyandrische mit polygynischen Verhältnissen. Allein der Vorsprung, den allenthalben derjenige, der das Geld gibt, vor demjenigen hat, der die Ware gibt, bewirkt es, daß nur die letzteren, die dem Manne ein ungeheures Übergewicht verleihen, der Prostitution den Charakter bestimmen. Auch in Verhältnissen, die mit Prostitution nicht das geringste zu tun haben, pflegen Frauen es als peinlich und entwürdigend zu finden, Geld von ihren Liebhabern anzunehmen, während dieses Gefühl sich oft auf gegenständliche Geschenke nicht erstreckt; wogegen es ihnen selbst Vergnügen und Genugtuung ist, jenen ihrerseits Geld zu geben; man sagte von Marlborough, der Grund seiner Erfolge bei Frauen sei gewesen, daß er Geld von ihnen angenommen habe. Die eben hervorgehobene Überlegenheit dessen, der das Geld gibt, über den, der es nimmt, eine Überlegenheit, die sich im Falle der Prostitution zu dem fürchterlichsten sozialen Abstand erweitert, bereitet in diesem umgekehrten Falle der Frau die Genugtuung, denjenigen von sich abhängig zu sehen, zu dem sie sonst aufzublicken gewohnt ist.

 


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