I. [Das Wergeld]
Dieser Vorstellungsweise - soweit sie sich auf die Mordsühne bezieht - liegt ein Gefühl von prinzipieller Erheblichkeit zum Grunde. Da das ganze Wesen des Geldes auf der Quantität beruht, Geld an und für sich ohne Bestimmtheit seines Wieviel ein völlig leerer Begriff ist, so ist es von größter Bedeutung und ganz unerläßlich, daß jedes Geldsystem eine Einheit besitzt, als deren Vielfaches oder deren Teil sich jeder einzelne Geldwert ergibt. Diese ursprüngliche Bestimmtheit, ohne die es überhaupt zu keinem Geldwesen kommen konnte, und die sich dann technisch zum »Münzfuß« verfeinert, ist gleichsam die absolute Grundlage der quantitativen Relationen, in denen der Geldverkehr verläuft. Nun wäre freilich, rein begrifflich angesehen, die Größe dieser Einheit ganz gleichgültig, denn wie sie auch sei, durch Division oder Multiplikation lassen sich alle erforderlichen Größen aus ihr herstellen; über ihre Festsetzung werden denn auch wirklich, namentlich in späterer Zeit, nur teils historisch-politische, teils münztechnische Gründe entscheiden. Dennoch wird dasjenige Geldquantum, das einem als der Maßstab aller anderen vor Augen steht, sobald von Geld geredet wird, und sozusagen der Repräsentant des Geldes überhaupt ist - das wird wenigstens ursprünglich auch zu irgendeinem zentralen Wertgefühl des Menschen in Beziehung stehen müssen, als Äquivalent für irgendein im Vordergrund des Bewußtseins stehendes Objekt oder Leistung kreiert werden. Woraus sich übrigens die oft bemerkte Tatsache erklärt, daß in Ländern mit hoher Münzeinheit die Lebenshaltung teurer ist als in solchen mit minderer - also, ceteris paribus, in Dollarländern teurer als in Markländern, in Markländern teurer als in Frankländern. Vielerlei Lebensbedürfnisse scheinen eben diese Einheit, bzw. bestimmte Vielfache derselben zu kosten, gleichviel welches deren absolute Größe ist. Die Münzeinheit innerhalb eines sozialen Kreises, so irrelevant sie vermöge ihrer beliebigen Teilung und Multiplizierung zu sein scheint, hat dennoch, sowohl als Folge wie als Ursache, sehr tiefe Beziehungen zu dem ökonomisch ausdeutbaren Typus der Lebenswerte überhaupt. Es war noch ein Erfolg dieses Zusammenhanges, daß die erste französische Konstitution von 1791 als Wertmesser den Tagelohn annahm. Jeder vollberechtigte Bürger mußte eine direkte Steuer von mindestens 3 Journées de travail zahlen, um Wähler zu sein, bedurfte es eines Einkommens von 150-200 Journées. So ist die werttheoretische Meinung aufgetaucht, die Tagesexigenz, also dasjenige, was für den Menschen den unumgänglichsten Wert hat, sei der absolute Wertmesser, dem gegenüber die edlen Metalle und alles Geld überhaupt als Ware im Preise steigen oder fallen. Und in derselben Richtung, als die Werteinheit ein zentrales und durch ein wesentliches menschliches Interesse umgrenztes Objekt zu setzen, liegt der Vorschlag eines »Arbeitsgeldes«, dessen Grundeinheit gleich dem Arbeitswerte einer Stunde oder eines Tages sei. Demgegenüber möchte man es als einen nur quantitativen Unterschied bezeichnen, wenn das Äquivalent für den ganzen Menschen, das Wergeld, als das charakteristische Geldquantum überhaupt hervortritt.