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I. [Die Doppelrolle des Intellekts wie des Geldes; ihrem Inhalte nach überpersönlich, ihrer Funktion nach individualistisch und egoistisch; Beziehung zu dem Rationalismus des Rechtes und der Logik]

 

Es ist nicht nur, wie ich es oben berührte, die Rechtsform überhaupt, die sich mit der reinen Intellektualität und dem Geldverkehr darin trifft, daß sie alle sich dem sachlich und sittlich perversesten Inhalte nicht entziehen; sondern es ist vor allem das Prinzip der Rechtsgleichheit, in dem diese Diskrepanz zwischen der Form und dem realen Inhalt gipfelt. Alle drei: das Recht, die Intellektualität, das Geld, sind durch die Gleichgültigkeit gegen individuelle Eigenheit charakterisiert, alle drei ziehen aus der konkreten Ganzheit der Lebensbewegungen einen abstrakten, allgemeinen Faktor heraus, der sich nach eigenen und selbständigen Normen entwickelt und von diesen aus in jene Gesamtheit der Interessen des Daseins eingreift und sie nach sich bestimmt. Indem alle drei also Inhalten, gegen die sie ihrem Wesen, nach gleichgültig sind, Formen und Richtungen vorzuschreiben mächtig sind, bringen sie unvermeidlich die Widersprüche, die uns hier beschäftigen, in die Totalität des Lebens hinein. Wo die Gleichheit die formalen Fundamente der Beziehungen zwischen Menschen ergreift, wird sie zum Mittel, ihre individuellen Ungleichheiten zum schärfsten und folgenreichsten Ausdruck zu bringen, der Egoismus hat sich, indem er die Schranken der formalen Gleichheit einhält, mit inneren und äußeren Hindernissen abgefunden und besitzt nun gerade in der Allgemeingültigkeit jener Bestimmungen eine Waffe, die, weil sie jedem dient, auch gegen jeden dient. Die Formen der Rechtsgleichheit bezeichnen den Typus hierfür, den einerseits die Intellektualität in ihrer oben geschilderten Bedeutung, andrerseits das Geld wiederholt: seine allgemeine Zugängigkeit und Gültigkeit, sein potenzieller Kommunismus beseitigt sowohl für die Oben- wie für die Unten- wie für die Gleichstehenden gewisse Schranken, die aus der apriorischen, standesmäßigen Abgrenzung der Besitzarten gefolgt waren. So lange der Grundbesitz und die Berufe in den Händen bestimmter Klassen waren, brachten sie Verpflichtungen gegen die Tieferstehenden, Solidaritäten der Genossen, selbstverständliche Begehrlichkeitsgrenzen der Ausgeschlossenen mit sich, zu denen für einen »aufgeklärten« Rationalismus kein Grund mehr vorliegt, sobald jeder Besitz in einen Wert überführbar ist, von dessen unbegrenzter Erwerbung niemand prinzipiell fernzuhalten ist - womit natürlich die Frage nach der Gesamt-Zu- oder Abnahme des Egoismus im Lauf der Geschichte keineswegs entschieden ist.

 Endlich erwähne ich das äußerst Charakteristische, daß auch jene Aufhäufung intellektueller Errungenschaften, die dem irgendwie Begünstigten einen unverhältnismäßigen und rapid wachsenden Vorsprung gönnt, in den Akkumulierungen des Geldkapitals ihre Analogie findet. Die Struktur der geldwirtschaftlichen Verhältnisse, die Art, wie das Geld Renten und Gewinn erzielt, bringt es mit sich, daß es von einer gewissen Höhe ab sich wie von selbst vermehrt, ohne durch verhältnismäßige Arbeit des Besitzers befruchtet zu werden. Dies entspricht der Struktur der Erkenntnisse in der Kulturwelt, die von einem bestimmten Punkte an einen immer geringeren Selbsterwerb des Einzelnen fordern, weil sich die Wissensinhalte in verdichteter und mit ihrer größeren Höhe immer konzentrierterer Form darbieten. Auf den Höhen der Bildung fordert jeder weitere Schritt oft im Verhältnis zu dem Tempo der Erwerbungen niederer Stufen ebenso viel weniger Mühe, wie er einen höheren Erkenntnisertrag liefert. Wie die Objektivität des Geldes ihm schließlich ein von personalen Energien relativ unabhängiges »Arbeiten« gestattet, dessen, sich Aufhäufende Erträge wie automatisch zu weiteren Aufhäufungen in steigenden Proportionen führen - so bewirkt das Objektivwerden der Erkenntnisse, die Lösung der Resultate der Intelligenz von dem Prozesse der letzteren selbst, daß diese Resultate sich zu verdichteten Abstraktionen aufhäufen, und daß man sie, wenn man nur schon hoch genug steht, wie Früchte pflücken kann, die ihren Reifeprozeß ohne unser Zutun vollzogen haben.

 


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