November 1903
Daß in Theaterstücken für Firmen Reklame gemacht wird
Daß in Theaterstücken — nicht nur auf Theatervorhängen — für Firmen Reklame gemacht wird, ist bekannt. Ich war einmal zugegen, als in einer Carltheaterpremiere der Soubrette beim Auftreten von ihrem Partner ein Paprikabukett überreicht wurde, das sie mit den Worten annahm: »Der Paprika-Schlesinger ist doch immer originell!« Daß Kaiserworte für die Reklamezwecke einer Firma appretiert werden, ist nicht weniger bekannt und schlimmer. Aber als eine Neuerung wird es jedenfalls begrüßt werden, daß von nun an auch Gerichtsurteile merkantile Empfehlungen enthalten sollen. In dem Prozeß, den neulich die Konfektionsfirma Rudolf Hoffmann & Co. gegen eine Schauspielerin geführt hat, wurde vom Zivillandesgericht ein Urteil gefällt, in dessen mündlicher Begründung der Vorsitzende — nach den Berichten der Tagesblätter — wörtlich ausführte: »Mit schwerem Herzen hat der Gerichtshof sich entschlossen, eine Firma wie die Klägerin, die so Bedeutendes leistet, mit ihren Ansprüchen abzuweisen ...« Dies stand in den Zeitungen. Entweder haben diese geglaubt, daß sie ein Gerichtsurteil, weil es im Namen Seiner Majestät des Kaisers gefällt wird, gegen Bezahlung genau so redigieren dürfen wie ein Kaiserwort: dann hätte sofort eine amtliche Berichtigung erscheinen müssen. Oder die Blätter haben, was hin und wieder vorkommen kann, wahrheitsgetreu berichtet: dann würde die Firma gut tun, in ihren Inseraten und auf ihren Geschäftskarten die richterliche Empfehlung abzudrucken. Dem Ansehen der Justiz wird’s vielleicht nicht förderlich sein. Aber die Justiz hat sich ja längst selbst darauf verlegt, mehr ihr Aussehen als ihr Ansehen zu fördern. Der Talar muß die Würde machen. Frau Themis, wird man höchstens sagen, läßt jetzt bei Hoffmann arbeiten.
Vgl.: Die Fackel, Nr. 147, V. Jahr
Wien, 21. November 1903.