Februar 1907
Welcher Humor im Gerichtssaal
Welcher Humor im Gerichtssaal noch immer am stärksten »zieht«? Der, den man sich im Theater nicht mehr gefallen läßt. Das Alter einer Frau und der böhmische Dialekt — das ist die unverwüstliche Gelegenheit für Improvisationen und »Schlager«, durch die die Stars des Landesgerichts, die Lieblinge des Auditoriums zu wirken wissen. Wenn der Vorsitzende des Prozesses Odilon einen Zeugen auf das Mißverhältnis zwischen seinem Alter und dem »älteren Jahrgang, dem doch Frau Odilon angehört«, aufmerksam gemacht hat, so kann der Bericht »Heiterkeit« verzeichnen. Nun aber erst der Prozeß gegen einen Sänger namens Prochaska! Der »tschechische Akzent« des Angeklagten, auf den schon die Staatsanwaltschaft größten Nachdruck gelegt hat, wird immer wieder zur Belustigung der Hörer herangezogen. »Zeuge: Ich habe ihn auf der Bühne gesehen, aber es war mir zweifellos, daß er eine Zukunft habe. — Präs.: Wenn nicht diese Aussprache wäre! — Zeuge: Ja, es ist merkwürdig, Ungarn, Italiener, Franzosen, Engländer, wenn sie in ihrem Dialekt deutsch singen, gefallen, aber tschechische Aussprache macht lächeln. — Präs.: Wenn man beispielsweise stolz singt: Ich bin ein Rämer! (Heiterkeit).« Gespräch zweier Theaterfreunde: »Haben Sie schon den D. als Vorsitzenden im ›Böhm in Amerika‹ gesehen? Da müssen Sie hineingehen! Servus Prochaska, hat er zu ihm g’sagt! Wie der das bringt!« »Das ist noch gar nichts. Ich erinnere mich noch, wie der Holzinger ...«
Vgl.: Die Fackel, Nr. 218, VIII. Jahr
Wien, 5. Februar 1907.