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Ein Salzburger Bauer

Ein Salzburger Bauer sollte eingesperrt werden, weil ihm der Ausruf entfahren war: »Ach was, i furcht mi vor kein Teufel. Den Teufel hab i z’haus, mei Weib!« Nicht wegen Beleidigung des Weibes, sondern wegen Beleidigung des Teufels, wegen Herabwürdigung einer »Einrichtung der katholischen Kirche« — eine solche ist nämlich der Teufel — sollte der Salzburger Bauer verurteilt werden. Es gehört nämlich zu den unverlierbaren Rechten des österreichischen Staatsbürgers, zu jeder Stunde und bei jedem Anlaß »eingespirrt« zu werden. Jener wurde auffallenderweise freigesprochen. Wie schwer es trotzdem in Österreich ist, keine Religionsstörung zu begehen, zeigt der folgende Vorfall: In Olmütz warf ein Friseur bei der Beerdigung seines Freundes eine Erdscholle auf den in die Tiefe gesenkten Sarg mit den in tschechischer Sprache ausgerufenen Worten: »Lebe wohl, Ferdinand, auf der ganzen Linie!« Er wurde wegen Religionsstörung angezeigt und — wiewohl er angab, daß er dem toten Freunde nur dessen Lieblingswort »auf der ganzen Linie« nachgerufen habe, ohne die entfernteste Absicht, jemand zu beleidigen oder ein Ärgernis zu erregen — zu drei Tagen strengen Arrests verurteilt. Also ein Sieg der Betschwestern auf der ganzen Linie! Ob das neue Strafgesetz solche Siege unmöglich machen wird? Ob es verhüten wird, daß der ahnungslose, blinde oder andersgläubige Passant, der eine Prozession nicht grüßt, »eingespirrt« werde? Während der religionsstörende Kooperator, der auf dem Gang zu einem Sterbenden innehält und Spaziergängern den Hut vom Kopf schlägt, straflos bleibt? Wer kann’s wissen! Rechtsgut wird wohl auch künftig nicht die Religion, sondern die Empfindlichkeit einer Betschwester sein. »Marandjosef!« lautet ein- für allemal die Klage, die der österreichische Staatsanwalt erhebt. Und was die Kirchhofwanze sinnt, wird der österreichische Richter immerdar in Tat umsetzen.

Vgl.: Die Fackel, Nr. 194, VII. Jahr
Wien, 31. Jänner 1906.