Die abstrakte Religion (ohne Kirche und ohne Dogmen) ist ein leeres Wort; das entsprechende Wesen gibt es nicht in der Welt der Wirklichkeit. Sowenig es "den" Menschen gibt über oder neben der Milliarde wirklicher Menschen, sowenig gibt es "die" Religion neben oder über den Religionen. Und auch die Religionen gibt es nicht, sondern doch wohl nur Menschengruppen mit bestimmten à-peu-près gleichen Glaubensvorstellungen.
Die Religion wird also wohl, da sie nichts ist als eine gemeinsame Geistesrichtung von Menschengruppen, einzig und allein auf Worten beruhen; und es ist zu erwägen, ob die staatbildenden Tiere, die keine so ausgebildete Sprache haben wie wir, nicht eben darum so konservativ sind, weil sie kaum haben, was wir Religion nennen. Religion ist nicht so konservativ, wie die Verteidiger von Thron und Altar glauben.
Ist nun die Religion ein Glaube an überlieferte Worte, so scheint es mir gewiß, dass einzig und allein eine Kritik der Sprache, also eine Untersuchung der Worte, den Begriff der Religion ernstlich und für immer aus der wissenschaftlichen Weltanschauung zu entfernen vermag. Denn alle Vernicütung und Verwerfung der Kirche mußte bisher den angeblich überkirchlichen Religionsbegriff bestehen lassen; und alle rem historische Kritik einer Religion kehrt schließlich zu irgend einem mystischen Wort, einer Art Überreligion zurück, bei welcher sich dann das Gemüt beruhigt. Ganz abgesehen von der geistigen Knechtschaft, mit welcher Leute wie Hegel und selbst Kant sich mit der kirchlichen Religion abgefunden haben.
Noch viel gemeiner ist das Verhältnis zwischen Sprache und Theologie. Schon S. Maimon wußte: "Die Sprache ist in den Händen der Theologen, was der Ton in den Händen des Töpfers" ("Lebensgeschichte" II. 32). Er kannte fast nur die Sprache jüdischer Theologen; trotzdem ist es nur eine Katachrese, ein "Wippchen", kein Scherz, dass er die Sprache in die Hände der Theologen verlegt.