Schiedsrichter


Musikkritik:

›Sonn- und Montagszeitung‹: »Als Eröffnungsnummer figurierte Beethovens C-dur-Symphonie, welche eine geradezu musterhafte Interpretation erfuhr. An jeden einzelnen Satz knüpften sich stürmische Beifallskundgebungen, die sich nach dem Finale zu förmlichen Ovationen für Herrn Dr. Muck und unsere trefflichen Philharmoniker steigerten«.



Theaterkritik:

›Neue Freie Presse‹: »Die klassischen Abende dieser Bühne brachten heute eine interessante, aber nicht sehr gelungene Neubelebung: Shakespeares ›Lustige Weiber von Windsor‹ .... Wie ›Der zerbrochene Krug‹ durch gleichen Mangel jüngst im Volkstheater zerschellte, so wurde auch die Lustigkeit der ›Weiber von Windsor‹ arg geschädigt. Die Wendung der Darstellung ins Groteske vermag da nicht abzuhelfen, sie ist verfehlt und dem Geiste des Dichters völlig entgegen ... Amerikanischer Groteskclownspaß, mit dem man heute Shakespeare auf das widerwärtigste verroht und der hier sich hoffentlich niemals einbürgern wird. So war der dramaturgische und schauspielerische Erfolg des heutigen Abends ein geringer; jener wurde durch herzlich banale Einschnitte beeinflußt, dieser litt an dem Fehlen jeder nennenswerten Leistung«.

  

›Zeit‹: »Was ist nur Herrn Dr. Muck eingefallen, die Tempi der ersten Beethovenschen Symphonie derart zu verschleppen? Das Werk klang wie unter den Händen junger Klavierschüler, die es zum erstenmal vierhändig durchnehmen .... Wie sehr die Aufführung verfehlt war, konnte Herr Muck schon an dem Beifall des Puklikums bemerken. Nach den ersten Sätzen erfolgte er so spärlich wie noch nie .... Erst nach dem letzten Satze, der zwar langsamer als sonst, aber doch in erträglichem Tempo gespielt wurde, erscholl er einmütig«.

›Arbeiterzeitung‹: »Eine reizende Aufführung. Eine Vorstellung, die dem Theater hohe Ehre macht und die Hoffnung erweckt, endlich, endlich werde das Volkstheater vollbringen, was in den letzten Jahren nur mehr mit resignierten Hoffnungen erwartet wurde. In Richard Vallentin, der die ›Lustigen Weiber‹ inszenierte, kann das Wiener Theater seinen Reinhardt finden! Was er gestern aus den ausgezeichneten Schauspielern des Volkstheaters hervorzauberte, das erfreute bis ins Detail. Und die Stimmung des ganzen Werkes wußte er fast bis an jene Grenzen zu steigern, wo nur mehr der musikalische Ausdruck der zureichende ist. Soweit das Theater die innere Musik der Shakespeare-Sprechoper laut werden lassen kann, ist das gestern geschehen .... Jubel, den die Vorstellung erweckte .... vorzügliches Ensemble ....«

 

 

Nr. 199, VII. Jahr

23. März 1906


 © textlog.de 2004 • 15.11.2024 09:29:59 •
Seite zuletzt aktualisiert: 28.01.2007 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright Die Fackel: » Glossen » Gedichte » Aphorismen » Notizen