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I. [Die Geldheirat]

 

Zweitens. Es wiederholt sich hier, in sehr veränderter Form, die Beobachtung über die Prostitution: daß sie zwar ebenso Polyandrie wie Polygynie ist, daß aber durch die soziale Übermacht des Mannes ausschließlich die Folgen des polygynischen, also die Frau deklassierenden Momentes in ihr wirksam werden. Es scheint nämlich, als müßte die Geldheirat als eine chronische Prostituierung, den durch das Geld bewogenen Teil, ob das nun der Mann oder die Frau ist, immer gleichmäßig innerlich entwürdigen. Allein normalerweise ist das nicht der Fall. Indem die Frau sich verheiratet, gibt sie allermeistens in dieses Verhältnis die Gesamtheit ihrer Interessen und Energien hin, sie setzt ihre Persönlichkeit, Zentrum und Peripherie, restlos ein; während nicht nur die Sitte auch dem verheirateten Manne eine viel größere Bewegungsfreiheit einräumt, sondern er den wesentlichen Teil seiner Persönlichkeit, den der Beruf okkupiert, von vornherein nicht in die eheliche Beziehung hineingibt. Wie das Verhältnis der Geschlechter in unserer Kultur nun einmal liegt, verkauft der Mann, der um des Geldes willen heiratet, nicht so viel von sich, wie die Frau, die es aus demselben Grunde tut. Da sie mehr dem Manne gehört als er ihr, so ist es für sie verhängnisvoller, ohne Liebe in die Ehe zu treten. Ich möchte deshalb glauben - hier muß die psychologische Konstruktion an die Stelle hinreichender Empirie treten - daß die Geldheirat ihre tragischsten Folgen im wesentlichen, und. besonders, wenn feinere Naturen in Frage kommen, da entwickelt, wo die Frau die gekaufte ist. Hier wie in sehr vielen anderen Fällen zeigt es sich als die Eigentümlichkeit der durch Geld gestifteten Beziehungen, daß ein eventuelles Übergewicht der einen Partei zu seiner gründlichsten Ausnutzung, ja Steigerung neigt. Von vornherein ist dies freilich die Tendenz jeglichen Verhältnisses dieser Art. Die Stellung des primus inter pares wird sehr leicht die eines primus schlechthin, der einmal gewonnene Vorsprung, auf welchem Gebiete immer, bildet die Stufe zu einem weiteren, den Abstand steigernden, der Gewinn begünstigter Sonderstellungen ist oft um so leichter, je höher man schon steht; kurz. Überlegenheitsverhältnisse pflegen sich in wachsenden Proportionen zu entwickeln, und die »Akkumulation des Kapitals« als eines Machtmittels ist nur ein einzelner Fall einer sehr umfassenden Norm, die auch auf allen möglichen, nicht-ökonomischen Machtgebieten gilt. Nun enthalten diese aber vielfach gewisse Kautelen und Gegengewichte, welche jener lawinenhaften Entwicklung der Überlegenheiten Schranken setzen; so die Sitte, die Pietät, das Recht, die mit der inneren Natur der Interessengebiete gegebenen Grenzen für die Expansion der Macht. Das Geld aber, mit seiner unbedingten Nachgiebigkeit und Qualitätlosigkeit, ist am wenigsten geeignet, einer solchen Tendenz Einhalt zu tun. Wo ein Verhältnis, in dem Übergewicht und Vorteil von vornherein auf der einen Seite? ist, von einem Geldinteresse ausgeht, wird es deshalb unter übrigens gleichen Umständen sich viel weitgehender, radikaler, einschneidender in seiner Richtung weiterentfalten können, als wenn andere Motive, sachlich bestimmter und bestimmender Art, ihm zugrunde liegen.

 


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