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I. [Die Geldheirat]

 

Drittens. Der Charakter der Geldheirat tritt sehr deutlich gelegentlich einer ganz partikularen Erscheinung: der Heiratsannonce, hervor. Daß die Heiratsannonce eine so sehr geringe und auf die mittlere Gesellschaftsschicht beschränkte Anwendung findet, könnte verwunderlich und bedauerlich erscheinen. Denn bei aller hervorgehobenen Individualisierung der modernen Persönlichkeiten und der daraus hervorgehenden Schwierigkeit der Gattenwahl gibt es doch wohl noch für jeden noch so differenzierten Menschen einen entsprechenden des anderen Geschlechtes, mit dem er sich ergänzt, an dem er den »richtigen« Gatten fände. Die ganze Schwierigkeit liegt nur darin, daß die so gleichsam für einander Prädestinierten sich zusammenfinden. Die Sinnlosigkeit von Menschenschicksalen kann sich nicht tragischer zeigen, als in der Ehelosigkeit oder den unglücklichen Ehen zweier einander fremder Menschen, die sich nur hätten kennen zu lernen brauchen, um aneinander jedes mögliche Glück zu gewinnen. Kein Zweifel, daß die vollendete Ausbildung der Heiratsannonce das blinde Geratewohl dieser Verhältnisse rationalisieren könnte, wie die Annonce überhaupt dadurch einer der größten Kulturträger ist, daß sie dem Einzelnen eine unendlich höhere Chance adäquater Bedürfnisbefriedigung verschafft, als wenn er auf die Zufälligkeit des direkten Auffindens der Objekte angewiesen wäre. Gerade die gesteigerte Individualisierung der Bedürfnisse macht die Annonce, als Erweiterung des Kreises von Angeboten, durchaus erforderlich. Wenn dennoch gerade in den Schichten der differenzierteren Persönlichkeiten, die prinzipiell am meisten auf die Heiratsannonce angewiesen scheinen, dieselbe gar nicht in Frage kommt, so muß diese Perhorreszierung einen ganz positiven Grund haben. Verfolgt man nun die tatsächlich erscheinenden Heiratsannoncen, so sieht man, daß darin die Vermögensverhältnisse der Suchenden oder Gesuchten den eigentlichen, wenn auch manchmal verhüllten Zentralpunkt des Interesses bilden. Und das ist sehr begreiflich. Alle ändern Qualitäten der Persönlichkeit nämlich lassen sich in einer Annonce nicht mit irgendwelcher genauen oder überzeugenden Bestimmtheit angeben. Weder die äußere Erscheinung, noch der Charakter, weder das Maß von Liebenswürdigkeit, noch von Intellekt können leicht so beschrieben werden, daß ein unzweideutiges und das individuelle Interesse erregendes Bild entsteht. Das Einzige, was in allen Fällen mit völliger Sicherheit bezeichnet werden kann, ist der Geldbesitz der Personen, und es ist ein unvermeidlicher Zug des menschlichen Vorstellens, unter mehreren Bestimmungen eines Objektes diejenige, welche mit der größten Genauigkeit und Bestimmtheit anzugeben oder zu erkennen ist, auch für die sachlich erste und wesentlichste gelten zu lassen. Dieser eigentümliche, sozusagen methodologische Vorzug des Geldbesitzes macht die Heiratsannonce gerade für diejenigen Stände, welche ihrer eigentlich am dringendsten bedürften, dadurch unmöglich, daß er ihr das Eingeständnis des bloßen Geldinteresses aufprägt.

 


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