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I. [Der Übergang von der utilitarischen zu der objektiven und der absoluten Wertung des Menschen]

 

In der Entwicklung, die so von einer bloß utilitarischen zu einer sachlichen Preisschätzung des Menschen aufstieg, macht sich ein sehr allgemeiner Modus des Denkens geltend. Wenn alle Subjekte von einem Objekt einen und denselben Eindruck empfangen, so scheint das nicht anders erklärbar, als daß das Subjekt eben diese bestimmte Qualität, den Inhalt jenes Eindrucks, an sich besitze; ganz verschiedene Eindrücke mögen in ihrer Verschiedenheit aus den aufnehmenden Subjekten stammen, ihre Gleichheit aber kann, wenn man den unwahrscheinlichsten Zufall ausschließen will, nur daher stammen, daß sich das so qualifizierte Objekt in den Geistern spiegelt - zugegeben selbst, daß dies nur ein symbolischer und tieferer Ergänzung bedürftiger Ausdruck ist. Innerhalb der Wertsetzung wiederholt sich dieser Vorgang. Wenn dasselbe Objekt in verschiedenen Fällen und von verschiedenen Personen verschieden gewertet wird, so wird die ganze Schätzung seiner als ein subjektiver Prozeß erscheinen, der infolgedessen je nach den persönlichen Umständen und Dispositionen verschieden ausfallen muß. Wird es indes von verschiedenen Personen immer genau gleich geschätzt, so scheint der Schluß unvermeidlich, daß es eben soviel wert ist. Wenn also etwa die Angehörigen der Erschlagenen ganz verschiedene Wergelder für sie forderten, war es klar, daß sie damit ihren persönlichen Verlust deckten; sobald aber die Höhe des Wergeldes für den bestimmten Stand ein für allemal festgesetzt und dieses bei den verschiedensten Personen und in den verschiedensten Fällen immer gleich geleistet wurde, so mußte sich daraufhin die Vorstellung ausbilden, der Mann sei eben an und für sich so und so viel wert. Diese Gleichgültigkeit gegen personale Unterschiede läßt den Wert des Menschen überhaupt nicht mehr in demjenigen bestehen, was andere Subjekte an ihm besitzen und verlieren, sie läßt ihn gleichsam als einen objektiven, in Geld ausdrückbaren, auf ihn selbst zurückströmen. Die im Interesse des sozialen Friedens und zur Vermeidung endloser Zwistigkeiten getroffene Fixierung des Wergeldes erscheint so als die psychologische Ursache, die die ursprünglich subjektiv- utilitarische Wertung des Menschenlebens in die objektive Vorstellung überführte, der Mensch habe eben diesen bestimmten Wert.

Dieser kulturhistorisch so eminent wichtige Gedanke, daß die Totalität eines Menschen mit Geld aufzuwiegen sei, findet sich tatsächlich nur in zwei oder drei Erscheinungen verwirklicht: eben im Blutgeld und in der Sklaverei, vielleicht auch in der Kaufehe, auf die ich nachher eingehe. Man könnte die ungeheure Differenz der Anschauungsweisen, die uns die Möglichkeit der Sklaverei und des Blutgeldes heute so fern rückt, nach rein ökonomischen Begriffen; dennoch als eine bloß graduelle, quantitative bezeichnen. Denn im Sklaven wird doch nur die Summe derjenigen Arbeitsleistungen mit Geld bezahlt, die wir in ihrer Vereinzelung auch heute nur mit Geld bezahlen. Das Äquivalent für das ausgegebene Geld ist heute wie damals die Arbeit des Menschen; nur daß sie damals in Bausch und Bogen erworben wurde und jetzt von Fall zu Fall, und daß sie nicht dem Arbeitenden, sondern einem anderen bezahlt wurde - von den Fällen freiwilligen Sich-Verkaufens in die Sklaverei abgesehen. Und in Hinsicht des Blutgeldes widerspricht es auch heute unseren Gefühlen nicht, daß eine Geldbuße auf geringere Verletzungen gesetzt wird, seien es solche körperlicher oder innerer Art, wie Ehrenkränkungen oder Bruch des Eheversprechens. Noch neuerdings werden Delikte bis zu recht erheblicher Schwere in einigen Strafgesetzgebungen nur mit Geld gesühnt: so im Staate New-York, in den Niederlanden, im modernen Japan. Auf dem bloß ökonomischen Standpunkte verharrend, kann man die Tötung des Menschen als eine bloß graduelle Steigerung solcher partiellen Lahmlegungen und Herabsetzungen seiner Energien und Bewährungen ansehen, wie man ja auch physiologisch den Tod als eine Steigerung und Verbreiterung von Prozessen bezeichnet hat, die in niedrigem oder auf gewisse Körperprovinzen beschränktem Grade auch am »lebenden« Organismus stattfinden.

 


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