I. [Das Vornehmheitsideal und das Geld]
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Dieses typische Verhältnis, durch das die Lebensinhalte ihre Gemeinsamkeit, ihre Dienste zur Verständigung und Einheitlichkeit, mit ihrer relativen Niedrigkeit bezahlen müssen; durch das der Einzelne, auf dies Gemeinsame sich reduzierend, auf seine individuelle Werthöhe verzichten muß, sei es, weil der andere tiefer steht als er, sei es, weil dieser, obgleich ebenso hoch entwickelt, seine Höhe nach einer anderen Richtung hin hat, - dieses Verhältnis zeigt seine Form an Dingen nicht weniger als an Personen. Nur daß, was in diesem Fall ein Prozeß an Wirklichkeiten ist, in jenem nicht eigentlich an den Dingen selbst, sondern an den Wertvorstellungen von ihnen vorgeht. Die Tatsache, daß der feinste und aparteste Gegenstand ebenso für Geld zu haben ist, wie der banalste und roheste, stiftet eine Beziehung zwischen ihnen, die ihrem qualitativen Inhalt fern liegt und die gelegentlich dem ersteren eine Trivialisierung und eine Abflachung der spezifischen Schätzung eintragen kann, während der zweite überhaupt nichts zu verlieren hat, aber auch nichts gewinnen kann. Daß der eine viel und der andere wenig Geld kostet, kann dies nicht immer ausgleichen, namentlich nicht bei generellen, über die Einzelvergleichung sich erhebenden Wertungen, und ebensowenig gelingt dies dem nicht abzuleugnenden psychologischen Vorkommnis, daß gerade an der Gemeinsamkeit des Geldnenners die individuellen Differenzen der Objekte sich um so schärfer abheben. Die herabstimmende Wirkung des Geldäquivalents tritt unzweideutig hervor, sobald man mit einem schönen und eigenartigen, aber käuflichen Objekt ein an sich ungefähr gleich bedeutsames vergleicht, das aber für Geld nicht zu haben ist; dieses hat von vornherein für unser Gefühl eine Reserve, ein Auf-sich-ruhen, ein Recht, nur an dem sachlichen. Ideal seiner selbst gemessen zu werden, kurz: eine Vornehmheit, die dem anderen versagt bleibt. Der Zug in seinem Bilde, daß es für Geld zu haben ist, ist auch für das Beste und Erlesenste ein locus minoris resistentiae, an dem es sich der Zudringlichkeit des untergeordneten, das gleichsam eine Berührung mit ihm sucht, nicht erwehren kann. Denn so sehr das Geld, weil es für sich nichts ist, durch diese Möglichkeit ein Ungeheures Wertplus gewinnt, so erleiden umgekehrt unter sich gleichwertige, aber verschiedenartige Objekte durch ihre - wenn auch mittelbare oder ideelle - Austauschbarkeit eine Herabsetzung der Bedeutung ihrer Individualität. Immerhin ist dies wohl auch das tiefer gelegene Motiv, aus dem wir gewisse Dinge, etwas verächtlich, als »gangbare Münze« charakterisieren: Redensarten, Modi des Benehmens, musikalische Phrasen usw. Hierbei erscheint nun nicht die Gangbarkeit allein als der Vergleichungspunkt, der die Münze, das gangbarste Objekt überhaupt, als seinen Ausdruck herzuruft. Manchmal mindestens kommt noch das Austauschmoment hinzu. Es nimmt es gewissermaßen jeder an und gibt es wieder aus, ohne ein individuelles Interesse am Inhalt - wie beim Gelde. Auch hat es jeder in der Tasche, in Vorrat, es bedarf keiner Umformung, um in jeder Situation seinen Dienst zu tun. Indem es, gegeben oder empfangen, zu dem Einzelnen in Beziehung tritt, erhält es doch keine individuelle Färbung oder Hinzufügung, es geht nicht, wie andere Inhalte des Redens oder Tuns, in den Stil der Persönlichkeit ein, sondern geht unalteriert durch diese hindurch, wie Geld durch ein Portemonnaie. Die Nivellierung erscheint als Ursache wie als Wirkung der Austauschbarkeit der Dinge - wie gewisse Worte ohne weiteres ausgetauscht werden können, weil sie trivial sind, und trivial werden, weil man sie ohne weiteres auszutauschen pflegt. Die Lieblosigkeit und Frivolität, durch die sich die Behandlung der Gegenstände in der Gegenwart so sehr von früheren Zeiten unterscheidet, geht sicher zum Teil auf die gegenseitige Entindividualisierung und Abflachung, auf Grund des gemeinsamen Geldwertniveaus, zurück.
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