973. Lippe¹⁾. Lefze²⁾.
Lippe und Lefze sind nur verschiedene Formen desselben Wortes. Lippe ist die niederdeutsche, Lefze die oberdeutsche Form. Beide bezeichnen den obern und untern Rand des Mundes. Lefze wird aber gegenwärtig nur noch von Tieren gebraucht; so verlangt man z. B. von einem guten Jagdhunde, daß er herabhängende Lefzen habe. Lippe dagegen ist der edlere Ausdruck, der in der hochdeutschen Schriftsprache selbst von den Tieren üblicher ist, als Lefze; vom Menschen aber wird nur Lippe gebraucht. Es ist zwischen beiden Worten ein ähnliches Verhältnis wie zwischen fett und feist, wo auch der niederdeutsche Ausdruck den ursprünglichen hochdeutschen in den Hintergrund gedrängt hat (vgl. Art. 564). Lippe wie Lefze sind mit lat. labium oder labrum, Lippe, verwandt. „Seid nicht so unverständig, | wie Gaul und Mäuler sein, die ehe nicht werden bändig, | als wenn ihr wildes Maul ein scharfer Zügel zwingt, | daß ihnen Blut und Schaum durch beide Lefzen dringt.“ Fleming. „Erschein, erscheine bald in deiner großen Ehre, | eh mir der Geist entwischt, der nicht herwieder zeucht, | wenn er uns einmal nur durch beide Lippen fleucht.“ Fleming. „O sage, wenn dir ein Verhängnis nicht | die Lippe schließt, aus welchem unsrer Stämme | du deine göttergleiche Herkunft zählst.“ Goethe. „Wenn er (der Drache) ein Volk anfällt, so durchströmt er die funkelnden Augen | erst mit Blut, und bedeckt sich voll Gier die dürstenden Lefzen | mit der gezuckten Zunge.“ Klopstock.