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Ästhetischer Tee

Ästhetischer Tee. Die seit Ende des 18. Jahrhunderts sich zunehmender Beliebtheit erfreuenden literarischen Teeabende geben seit Beginn des folgenden bald ein beliebtes Spottobjekt ab. Gombert ZfdW. 2, 263 weist aus dem „Freimütigen“ (1804) bereits ästhetische Damen als bekannte Erscheinung nach. Aber erst seit der Begründung des durch seine Seichtigkeit berüchtigten „Dresdener Dichtertees“ im Jahre 1815, der selbst nur eine Neubelebung eines eingegangenen literarischen Wochenzirkels von 1801 war, wurden derartige Dichterzusammenkünfte gründlich diskreditiert. So spöttelt Heine 3, 52 (1824) darüber: „Wie einige belletristische Damen aus einer Bergecke ihre ästhetische Teegesellschaft hielten, sich gemütlich die „Abendzeitung“ vorlasen, ihre poetischen Ziegenböckchen, die meckernd den Teetisch umhüpften, als Universalgenies priesen und über alle Erscheinungen in der deutschen Literatur ihr Endurteil fällten.“

Je mehr solche nach Tieckschem Muster eingerichtete Leseabende Mode wurden, um so lebhafter wird auch die Opposition gegen derlei ästhetisierendes Cliquenwesen. Immerman 10, 206 (1831) spricht von der „Ausdünstung der ästhetischen Teemaschine“ und selbst Geibel 1, 84 (1838) stichelt ironisch:

„In der Gesellschaft, wo am blanken Teetisch
Das Wasser brodelt und der Blaustrumpf glänzt
Und wo prosaisch bald und bald poetisch
Des Geists Rakete durch die Lust sich schwänzt,
Langweilt er sich.“

Mit treffendem Humor hatte aber schon vorher Hauff 3, 57 (1826) sich geäußert in dem Gespräch zwischen dem ewigen Juden und dem Satan: „Ästhetischer Tee, was ist denn das? In China hab ich manches Maß Tee geschluckt, Blumentee, Kaisertee, Mandarinentee, sogar Kamillentee, aber ästhetischer Tee war nie dabei.“

„O sancta simplicitas! Jude, wie weit bist du zurück in der Kultur. Weißt du denn nicht, dass dies Gesellschaften sind, wo man über Teeblätter und einige schöne Ideen genugsam warmes Wasser gießt und den Leuten damit aufwartet?“ Noch 1843 verwünscht Alex. Graf v. Württemberg S. 277 diese Sitte:

„Der Tee vom Teufel ward herauf beschworen
Für Schwätzerei und für verliebte Toren.“