Aristokrat
Aristokrat wurde im Jahre 1789 zum gehässigen Scheltwort ausgeprägt, womit man die beiden ersten Stände, Adel und Geistlichkeit, als Feinde der revolutionären Bewegung zu brandmarken pflegte. Vgl. Lucians Neueste Reisen (1791) S. 17: „Weil nun dem Volk goldene Zeiten versprochen sind, so hat man ihm den Wahn beigebracht: wenn sie nicht kommen, seie niemand daran Schuld, als die Freunde der alten Verfassung, die Stifter alles Bösen, die Schande der Menschheit .. — man heißt sie Aristokraten. Alles, was Scheußlich ist — Vatermörder, Tyrannen, Blutigel der Nation — denkt sich das Volk unter diesem Namen.“ Oder S. 347: „Diese Christliche Gleichheit gefiel freilich dem Adel nicht, und wem sie nicht gefiel, hieß Aristokrate, und war durch diesen Namen schon fähig, laternisiert zu werden".
Dasselbe bezeugt Wieland im Neuen Deutschen Merkur 1792, Bd. 2, S.299: „Das Wort Despot und Despotismus ist nun einmal ein eben so allgemein verhaßtes Schimpf-Wort als Ketzer, Pfaff, Deist, und als es die nur erst seit dem 14ten Juli 1789 in Schwang gekommenen garstigen Wörter Demokrat und Aristokrat sind oder in kurzem sein werden.“ Dass dieser Sprachgebrauch auch auf Deutsche entsprechend einwirkte, konstatiert Lampe, Ergb. S. 125 (1813) ausdrücklich: „Der neueste, vom Parteigeiste während der Französischen Staatsumwälzung entstandene Sprachgebrauch hat beide Wörter, Aristokrat und Demokrat, zu Schimpfnamen gemacht, womit die eine Partei die andere zu branntmarken glaubt.“
Im übrigen hat Lothar Bucher, der in der Deutschen Revue, 12. Jahrg. Bd. 2, S. 74 ein paar wichtige Entwicklungsstufen aus der langen Geschichte des Wortes hervorhebt, so unrecht nicht, wenn er bemerkt: „Seitdem ist das Wort völlig verwildert; was bedeutet es heute in Frankreich, England, Deutschland? Was würden diejenigen, die es am häufigsten im Munde führen, antworten, wenn man sie um eine Definition ersuchte? Zuweilen würde die aufrichtige Antwort lauten müssen: jemand, den ich aus diesem oder jenem Grunde nicht leiden kann.“
Gleichwohl scheint mir jetzt doch die ursprüngliche lobende Bedeutung wieder vorzuwiegen.