Raubstaat
Raubstaat, ein Scheltwort für die kleineren thüringisch-sächsischen Staaten ist nach Gomberts Vermutung in der ZfdW. 3, 327 nicht lange nach 1830 in Preußen aufgekommen, als die Verwicklungen Frankreichs mit den afrikanischen Raubstaaten öffentlich bekannt wurden und die egoistische Ausbeutung der Hoheitsrechte einiger mitteldeutscher Kleinstaaten (Prägung minderwertiger Münzen, Ausgabe ungedeckten Papiergeldes usw.) die Übertragung nahelegte.
Gombert vergleicht auch Held, Dem deutschen Volke (1846) S. 263, der über Gutzkows Zopf und Schwert bemerkt: „Am Schlusse des 3. Aktes darf nicht gesagt werden: „Reuß, Greiz, Schleiz und Lobenstein", sondern es wird geändert in „Algier, Tunis und Tripolis.“ — Nun, das hat im Grunde nicht viel auf sich; denn Algier, Tunis und Tripolis sind auch keine üblen Ranbstaaten.“ Ähnlich redet Ludwig v. Gerlach, Zwölf Rundschauen (1849) S. 214 von einem „revolutionären Barbareskenstaate Käthen“.
Noch 1895 gestehen die Grenzb. 1. Viertelj. S. 432: „Was war das doch für ein Elend, wenn man vor vierzig Jahren hundert Thaler bekam, zum Teil in schlechten Viergroschenstücken … und in schadhaften Thalerscheinen irgend eines kleinen „Raubstaates".“ Daher folgert auch Bamberger 3, 179 (1859) kurz und bündig: „Das ist und bleibt doch der einzige Ausweg aus Deutschlands Jammerzustand, dass Preußen möglichst weit das Raubstaatensystem absorbiere.“ Auch der Kladderadatsch beschäftigt sich mit dem Schlagwort, indem er z. B. im Jahre 1865, 172 zwei Illustrationen bringt, deren eine überschrieben ist „Deutscher raubstaatlicher Partikularismus“ und die andere „Italienischer raubstaatlicher Partikularismus“.
Mit Beziehung auf Afrika ist schon im Melchior Striegel (1793) S. 222 von einem Allianztraktat mit dem „algierischen Kaperstaat“ die Rede, und Börne spricht seit 1822 wiederholt von den Raubstaaten (Tunis, Algier und Tripolis) z. B. 3, 132 oder 5, 291.