Regierungslosigkeit
Regierungslosigkeit. Mit diesem Schlagwort rügte der Abgeordnete Dr. Laster in der Reichstagssitzung vom 21. März 1877 die ihm unbegreifliche Zurückhaltung Bismarcks in den Beratungen über den Sitz des Reichsgerichts: „Danach scheint mir nicht, dass wir in der Entscheidung des Bundesrats, so betrübend die Geschichte ihrer Entstehung ist, irgend ein System wirklich energisch sich entwickelnden Partikularismus zu suchen haben, sondern das Symptom einer Krankheit, die wir vor einiger Zeit an anderer Stelle schon getadelt haben: die Regierungslosigkeit im Reich. Wenn politisch bedenkliche Symptome auftreten, so ist es nur von Nutzen, wenn man sie richtig bezeichnet“ (Stenogr. Ber. 1, 294).
Wie ungerecht aber dieser Vorwurf war, zeigen die Grenzboten 1879, 2. Quartal S. 531 durch den Hinweis: „Von der Regierungslosigkeit unter einer Regierung, der an Reichtum, Kühnheit und nötigenfalls an Zähigkeit der Initiative keine jemals an die Seite gesetzt werden kann!“ Die rhetorische Hyperbel erklang noch öfters als Tadelsvotum oppositioneller Parteien. Dieses Schlagwort ist das Gegenstück zu einem Ausspruch Börnes 5, 228: „Monarchien, Aristokratien und Demokratien, leiden alle an der Krankheit des zu viel Regierens.“