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Rechtsboden

Rechtsboden, ein von Gombert in der ZfdW. 2, 271 seit 1833 (zuerst in einer Begründung des badischen Abgeordneten von Rotteck) nachgewiesenes Stichwort, das seit den vierziger Jahren mit neuem Nachdruck ertönt, bis es durch Georg Freih. v. Vincke zu einem der Haupttrümpfe der verfassungsfreundlichen Partei wird. Vergl. auch Büchmann S. 624.

Die Veranlassung dazu gab König Friedrich Wilhelm IV. selbst mit seiner Thronrede vom 11. April 1847, in der er die Versammelten mit folgenden Worten zum Kampf gegen „die bösen Gelüste der Zeit“ aufforderte: „Ihre Einmütigkeit mit mir, Ihr tätiges Bekenntnis, mir helfen zu wollen: den Boden des Rechts (den wahren Acker der Könige) immer mehr zu befestigen und zu befruchten, wird aus diesem Landtag eine gewonnene Hauptschlacht wider jenes arge, rechtlose, Deutschland betrübende und entehrende Treiben machen.“

Schon während der Adressdebatten am 15. April 1847 (R. Haym, Reden und Redner S. 78) Stellte Vincke in scharfer Pointierung dem Boden der politischen Parteien den des Rechts wieder gegenüber. Dann wird das Schlagwort sowohl in der beschlossenen Adresse wie auch in der königlichen Antwort vom 22. April 1847 entschieden betont. Denn jene Kundgebung spricht u. a. auch von „der Wohlfahrt, die auf der Stärke des monarchischen Prinzips und auf einem sicheren und geordneten ständischen Rechtsboden beruht“, und diese Erwiderung sieht zwar auch „in einer aus dem Rechtsboden begründeten, innigen Vereinigung der Krone mit den Ständen“ einen schönen Beruf der Volksvertreter, wahrt aber unzweideutig den Standpunkt königlicher Souveränität. Siehe Haym, ebda. S. 464 f.

Um so mehr fühlte sich Vincke in seiner glänzenden Rede vom 31. Mai 1847 veranlaßt, noch einmal die oben angeführten Worte der königlichen Thronrede im Zitat aufzugreifen, um ihre Tendenz sofort zu einer eindringlichen Wahrung gerade der ständischen Rechte umzubiegen: „stets den Boden, den Acker des Rechtes pflügen.“ Und weiterhin: „Ich erinnere mich mit gerechtem Stolz, dass meine Vorfahren den Acker des Rechts seit vielen hundert Jahren gepflügt und demselben viele köstliche Früchte abgewonnen haben, wertvoller, als die materiellen Güter dieser Erde. Ich weiß nicht, wie lang die Spanne Zeit ist, die mir hier noch zugemessen ist. Wenn aber einst meine letzte Stunde schlagen sollte, dann wünsche ich nur, auf dem Acker des Rechts meine Grabstätte zu finden.“

Erst durch diese Rede erhielt der Ausdruck seine volle Schlagkraft. Vincke wurde aber auch der Schöpfer der besonderen Wendung vom später viel verspotteten und parodierten durchlöcherten Rechtsboden. In seiner Rede vom 21. Juni 1848 sugte er in der Frankfurter Nationalversammlung (Wigard 1, 439): „Ich stehe auf dem Standpunkt des durchlöcherten Rechtsbodens. Wir haben in früheren Zeiten gesehen, dass der Rechtsboden von Oben her durchlöchert wurde, und in einer solchen Zeit habe ich mich mit vielen gleichgesinnten Freunden auf den Rechtsboden gestellt.“ Überhaupt ist der Anfang dieser Rede ein fortwährendes Anspielen und bildliches Ausbeuten des Begriffs.

Darum charakterisiert R. Haym, Reden und Redner S. 61 (1847) Georg v. Vincke durchaus zutreffend mit den Worten: „Er ist zuerst und vor Allem der Mann des Rechts. In seiner ganzen Kälte und Unbiegsamkeit macht er geltend: das Recht. An der Begeisterung für das Recht sind seine Worte, wie am Feuer der Stahl gehärtet. Das Recht ist sein Schwert, mit dem er schlägt, das Recht sein Maßstab, mit dem er mißt.“

Aber schon während des Jahres 1848 wird man des Schlagwortes vom Rechtsboden recht überdrüssig. Die Entwicklung der politischen Verhältnisse brachte es mit sich. So bedauert eine Glosse im Volksblatt 1848, 789, dass Preußen durch die Beratungen in der Paulskirche in kritischer Periode seine tüchtigsten Männer entbehre: „Ganz besonders vermissen wir dort Hrn. v. Vincke, den berühmten Verteidiger des „Rechtsbodens“ und wenn wir nicht irren, auch den Erfinder dieses Wortes, das im vorigen Jahr noch eine so große Rolle spielte, und das man heut kaum in den Mund nehmen darf, wenn man nicht von denselben Männern, die es früher stets im Munde führten, in die Acht erklärt werden will … So lange man den „Rechtsboden“ gegen den König als Vorwand nehmen konnte, so lange tummelte man sich lustig und bis zum Überfluß auf demselben herum; jetzt aber, wo der König auf demselben Rechtsboden eine unantastbare Stellung einnimmt, jetzt will kein Mensch mehr etwas davon wissen; jetzt beruft man sich nicht mehr auf das Recht, sondern auf das Gegenteil davon, auf die Gewalt, die Volkssouveränität, den Aufstand, die Revolution, oder wie man es sonst nennt.“ Noch an vielen anderen Stellen ist davon die Rede. Vergl. auch Gombert ZfdW. 3, 153.