Friedrich Müller
-
Die Künstler aller Zeiten und Völker
oder
Leben und Werke.
der
berühmstesten Baumeister, Bildhauer, Maler, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen etc.
(1857)
_______________
Vorrede.
Das Werk, dessen ersten Band ich hiermit dem kunstliebenden Publikum übergebe, soll in gedrängter Kürze, aber in klarer Bestimmtheit, ein Repertorium möglichst getreuer Nachrichten über das Leben und Wirken der berühmtesten Künstler aller Zeiten und Völker von den frühesten Kunstepochen bis zur Gegenwart, ein bis auf die neueste Zeit fortgesetztes allgemeines Künstlerlexikon bilden. Ich habe mich daher bemüht, in demselben, unter Zugrundlegung der zuverlässigsten Quellen, die Biographien aller bedeutenden Meister in den verschiedenen Zweigen der bildenden Künste, Baumeister, Bildhauer, Maler, Kupferstecher, Formschneider, Lithographen u. s. w. mitzuteilen, den Entwicklungsgang ihrer künstlerischen Ausbildung zu schildern, die Erzeugnisse ihres Geistes und Fleißes aufzuzählen, eine Gesamtcharakteristik ihrer Kunstweise zu entwerfen und ihnen die Stelle anzuweisen, welche sie in der Geschichte der Kunst einnehmen. Durch strenges Beschränken auf das wesentlich Wissenswürdigste und concisse Fassung, ist es mir möglich geworden, die große Masse des zu bearbeitenden Materials in einen verhältnismäßig äußerst geringen Raum zusammen zu drängen, um dem Buche das größere Publikum der Künstler und Kunstfreunde zu gewinnen, und dennoch soll man darin über jeden einzelnen bedeutenden Künstler genaue und zuverlässige Aufschlüsse erlangen, soll dasselbe von der Lebensgeschichte und der Wirksamkeit der hervorragendsten und größten Meister, soweit unsere Kunde reicht und mir die betreffenden Materialien zu Gebot standen, ein vollständiges, kein Moment ihrer geistigen und künstlerischen Entwicklung, kein bedeutendes Erzeugnis ihres Schaffens unberücksichtigt lassendes Gemälde entrollen. Um jedoch auch denjenigen, welche sich über einzelne Künstler und ihre Werke näher orientieren, sie zum Gegenstand besonderen Studiums machen wollen, geeignete Mittel zur Erreichung dieses Zweckes an die Hand zu geben, ist am Schluss der Artikel über die größeren und bedeutenderen Meister ein Verzeichniss der gesamten Literatur über sie und der etwaigen Kupierwerke nach ihren Arbeiten beigefügt, während die besten größeren Nachbildungen nach denselben, die einzelnen Kupferstiche, Lithographien u. s. w. im Texte angeführt werden. Endlich finden sich auf dem Rande die bekanntesten Monogramme aller derjenigen Künstler verzeichnet, die sich solcher Bilder- oder Schriftzeichen bedienten, und soll auch dem Schlüsse des Werks eine Liste der sogenannten Monogrammisten beigegeben werden, so dass sich mit dem Künstlerlexikon zugleich ein Monogrammenlexikon verbindet.
Mein Werk ist, was sich in Anbetracht des in unermesslicher Ausdehnung aufgewachsenen, täglich größer werdenden Stoffs, bei den Tausenden von Werken, Bänden, Aufsätzen, Artikeln, Bemerkungen, die nachgeschlagen, ausgezogen, überarbeitet werden mussten u. s. w., kaum anders erwarten lässt, eine Kompilation. Es wird aber dennoch in der Wahl und in der Art und Weise der Benützung der Quellen und Kriterien, in der durchaus objektiven, teils aus eigenem Studium der Kunstwerke selbst, teils aus dem der besten über sie erschienenen Schriften geschöpften Darstellung eine gewisse Selbstständigkeit zeigen, die sich, in Verbindung mit einer umfassenden, die neuesten Forschungen in sich schließenden Vollständigkeit, insbesondere den bisherigen Werken ähnlicher Art gegenüber, geltend machen dürfte.
Schon jetzt alle diejenigen Schriften anzuführen, aus denen ich schöpfte, ist indessen eine in der Natur eines sukzessive in mehreren Bänden erscheinenden Unternehmens begründete Unmöglichkeit. Indem ich daher vorläufig allen denjenigen neueren Kunstgelehrten, insbesondere unseren Autoritäten: Kugler, Schnaase, Waagen, Passavant, Förster, Rumohr, Quandt u. s. w. hiemit öffentlich den Anteil geziemend zuerkenne, den mein Buch ihren Werken schuldet, und für die freundlichen Mittheilungen jüngerer Kunstschriftsteller über Zeitgenossen und ältere Meister ergebenst danke und um geneigte Fortsetzung ihrer gütigen Unterstützung mit Beiträgen ersuche, gebe ich die Versicherung, dem letzten Bande ein Gesamtverzeichnis aller derjenigen Werke beifügen zu wollen, die ich bei der Abfassung des meinigen benützte. Nur ein Werk, das mir ein ungemein reichhaltiges und treffliches Material bot, schon hier anzuführen, kann ich nicht unterlassen, einer Anstalt muss ich dankschuldigst schon jetzt gedenken. Jenes ist das Kunstblatt, das bis Ende Juni 1849 im Cotta'schen Verlag in Stuttgart erschien, im Jahr 1850 aber unter der umsichtsvollen Leitung von Dr. Eggers in Berlin in verjüngter Gestalt wieder auferstand und die tüchtigsten Kräfte, worunter die ersten Männer vom Fach, zu seinen Mitarbeitern zählt; diese ist die hiesige öffentliche Bibliothek, die mir durch die freundliche Zuvorkommenheit des Herrn Oberstudienrat Professor Dr. v. Stalin und der Herren Professoren Pfeiffer und Hauff mit beispielseltener Liberalität zur vielseitigsten Benützung offen stand.
Bei dem großen Umfang des Unternehmens, bei den bedeutenden Anforderungen, die vom heutigen Standpunkt der Kunstgeschichtsforschung an dasselbe gemacht werden, mussten mir die wohlwollende Aufnahme, die den bereits erschienenen Lieferungen zu Teil wurde, sowie die vielfachen anerkennenden Urteile der öffentlichen Kritik, namentlich die ehrenvollem Beifallsbezeugungen unserer ersten Kunstgelehrten, eine erfreuliche Aufmunterung sein, fortzufahren mit eisernem Fleiße und unermüdlicher Beharrlichkeit in dieser meiner schwierigen und ungemeine Ausdauer erfordernden Arbeit. Den Stoff, soweit er mir zugänglich war, nach meinen besten Kräften gewissenhaft bearbeitet zu haben, kann ich mir selbst das Zeugnis geben, und es dürfte daher auch die genaue Zuverlässigkeit der Angaben, nach den besten und geprüftesten Quellen, keiner der geringsten Vorzüge meines Werkes sein. Etwaige Druckfehler, mangelnde oder zu berichtigende Tatsachen, sowie überhaupt alle diejenigen nötigen Ausführungen, die sich im Laufe der Zeit bis zur Beendigung des Lexikon's durch neuere Forschungen, durch neuauftauchende Künstler u. s. w. als notwendig herausstellen, Zusätze und dergl., wird ein Nachtrag bringen.
Stuttgart, im November 1856.
Professor Fr. Müller.