Lehrende Rede. Eine der drei Hauptgattungen der Rede 1, bei welcher es darauf ankommt, dass gewisse Begriffe, Urteile oder Meinungen in dem Verstande des Zuhörers festgesetzt und wirksam werden. Der Philosoph könnte denselben Stoff bearbeiten, den der Redner gewählt hat; beide würden die Absicht haben, ihre Begriffe, Urteile oder Schlüsse, dem Zuhörer beizubringen: aber in ihrer Art zu verfahren würde sich ein merklicher Unterschied zeigen, den wir hier näher zu betrachten haben. Der große Beifall, den die Wolfische Philosophie mit Recht in Deutschland gefunden, hat der Beredsamkeit in Absicht auf den lehrenden Vortrag merklichen Schaden getan; indem verschiedene Redner und Schriftsteller den genauen philosophischen Vortrag auch in die Beredsamkeit haben einführen wollen, die ihn gar nicht verträgt. Man hörte Reden, darin alles beinahe mit euklidischer Trokenheit erkläret oder bewiesen wurde; und es gewann das Ansehen, dass die wahre Beredsamkeit in Absicht auf den lehrenden Vortrag, völlig würde verloren gehen. Seit zwanzig Jahren ist man zwar von diesem verkehrten Geschmack ziemlich zurückgekommen; indessen wird es nicht ohne Nutzen sein, wenn wir hier den eigentlichen Unterschied zwischen dem philosophischen und rednerischen Vortrag, mit einiger Genauigkeit bestimmen.
Der Philosoph arbeitet auf deutliche Erkenntnis und so ungezweifelte Gewissheit, dass der Geist die völlige Unmöglichkeit sich das Gegenteil der erwiesenen Sätze vorzustellen, empfindet. Zu dieser Gewissheit gelangt er dadurch, dass er alle Begriffe, die in den Urteilen zum Grunde gelegt werden, deutlich und vollständig entwickelt und bis auf das Einfache derselben, das nur durch ein unmittelbares Gefühl gefasst wird, herabsteiget. Auf diese Weise erkennt man zuverläßig, was wahr oder falsch ist und damit hat der Philosoph seinen Endzweck, der auf das bloße Erkennen der Sache geht, erreicht.
Man hat vielfältig angemerkt, dass dieses bloße Erkennen, weiter nichts wirkt. Die wichtigsten und nützlichsten Wahrheiten können auf das deutlichste in dem Verstande liegen, ohne aus demselben in das Gemüt herüber zu wirken, um daselbst in Beweggründe zu Handlungen verwandelt zu werden. Der Philosoph richtet weiter nichts aus als dass er, wenn wir bereits den Vorsatz haben etwas zu tun, uns lehrt, wie wir es tun sollen, um die Absicht zu erreichen; er zeigt uns den geradesten richtigsten Weg, dahin zu gelangen, wohin wir zu gehen, uns schon vorher vorgesetzt haben; aber weder den Vorsatz dahin zu gehen, noch die Kraft die nötigen Schritte zu tun, können wir von ihm bekommen. Ihm haben wir bloß das deutliche Sehen des Weges zu danken.
Der Redner hat andere Absichten und muss daher sich auch anderer Mittel bedienen sie zuerreichen. Sein lezter Endzweck ist, die Begriffe und Wahrheiten nicht deutlich oder gewiss, sondern kräftig und wirksam zu machen. Er bemühet sich, denselben die höchste Klarheit, einen Glanz zu geben, der auf die Empfindung wirkt. Was der Philosoph bis auf die kleinsten Teile zergliedert und stückweise betrachtet, sucht der Redner im Ganzen vorzustellen, damit alle einzelne Teile zugleich wirken; weil nur diese Art der Kenntnis das ganze Gemüt angreift und wirksam macht.2
Der Philosoph muss seine Schritte nach der strengesten Logik abmessen; der Redner verfährt nach einer gemeineren Dialektik oder nach der Ästhetik, welche nichts anderes als die Logik der klaren, wie jene die Logik der deutlichen Vorstellungen ist.
Es würde viel zu weitläufig sein, die Methode, die der Redner zu befolgen hat, hier völlig zu entwickeln; also können wir nur die Hauptsachen davon anzeigen. Vielleicht veranlasst dieses jemanden, die Sachen weiter auszuführen.
Die Anstrengung unserer Vorstellungskraft hat allezeit eine von diesen drei Wirkungen zur Absicht; entweder einen Begriff zu fassen; oder ein Urteil zu fällen; oder einen Schluss zu bestätigen. Der lehrende Redner tut demnach auch nichts anders als dass er nach seiner Art diese Verrichtungen erleichtert.
Von den Begriffen. Der Philosoph zergliedert die Begriffe durch Erklärungen, die uns das, was wesentlich dazu gehört, einzeln angeben und gleichsam vorzählen: der Redner gibt uns eine sinnliche Vorstellung davon, er mahlt uns gleichsam den Gegenstand vor, damit wir ihn anschauen können und durch das Anschauen desselben gerührt werden und ohne mühesames Nachdenken die Beziehung der Sache auf uns empfinden. Spricht er von bekannten Dingen, so bemühet er sich sie in dem hellesten Lichte zu zeigen und von der Seite, die dem anschauenden Erkenntnis am meisten zu sehen gibt. Indem der Philosoph unseren Begriff von dem ersten und höchsten Wesen berichtigen und für die Wissenschaft festsetzen will, sucht er aus allen Vorstellungen, die sein Nachdenken ihm davon gegeben hat, diejenigen aus, die die ersten sind, aus denen das übrige durch genaues Nachforschen des Verstandes sich herleiten lässt; er stellt uns das Wesen der Wesen als eine notwendig wirkende und völlig uneingeschränkte Kraft vor. Um seinen Vortrag zu begreifen, müssen wir uns beinahe von aller Sinnlichkeit losmachen und bloß den reinen Verstand in uns wirksam sein lassen. Haben wir denn seine Grundbegriffe gefasst und uns von der Wirklichkeit derselben überzeugt, so können wir durch sehr kleine und auf das genauste abgemessene Schritte, mehrere Eigenschaften dieses Wesens, die aus den ersten Grundbegriffen notwendig folgen, erkennen. Aber bei dieser Verrichtung müssen wir so genau auf jeden kleinsten Schritt unserer Vorstellungskraft Achtung geben, dass wir uns selbst und unseren Zustand und die Beziehung der Dinge auf denselben, dabei völlig aus dem Gesichte verlieren.
Der Redner sucht aus dem ganzen Umfange der uns bekannten und geläufigen Begriffe, die eine Ähnlichkeit mit dem großen Begriff, den er uns geben will, haben, diejenigen aus, die wir am schnellesten und hellesten fassen und hilft unserer Einbildungskraft dieselben bis auf den hohen Grad zu erheben, in welchen sie einigermaßen tüchtig werden, uns das höchste Wesen anschauend zu erkennen zu geben.
Vornehmlich sucht er die auf, die schon mit unseren Empfindungen zusammenhängen, damit auch der erhabene Begriff des unendlichen Wesens die empfindende Seele unwiederstehlich ergreife. Die Begriffe eines Vaters, der mit Zärtlichkeit und Klugheit sein Haus zum besten seiner Kinder verwaltet; eines weisen Regenten, der mit einem Blick alle Teile des Regierungssystems übersieht und darin alles anordnet und die Wirksamkeit aller Glieder des Staates unwiederstehlich, doch ohne Zwang, zum allgemeinen Besten leitet und andre faßliche Begriffe dieser Art wählt der Redner; denn erhöhet und erweitert er den Begriff einer Familie, um den Begriff eines ganzen Staates faßlicher zu machen; diesen aber erhöhet er allmähig, aber immer durch leichte Schritte bis zum Begriff der unendlich ausgebreiteten Haushaltung des ganzen Weltsystems, dem er jenes erhabene Wesen als den Obersten, aber bloß väterliche Gewalt ausübenden Regenten vorstellt. Die einzelnen Begriffe, aus deren Verbindung der Redner seinen Hauptbegriff bildet, sind Begriffe, die aus einer Menge sinnlicher Vorstellungen, die wir schnell zusammenverbinden und auf einmal übersehen, zusammengesetzt sind. Dabei weiß er solche Vorstellungen zu wählen, die mit hellen Farben der Einbildungskraft einleuchten und von ihr noch vergrößert werden. Aus eben dem Grund ist schon sein lehrender Vortrag zugleich rührend, da schon seine eigene lebhafte Einbildungskraft sein Herz erwärmt: da hingegen der Philosoph notwendig kalt bleiben muss; damit er auf jeden Schritt, den sein Verstand tut, genau Achtung geben könne. Am sorgfältigsten ist der Redner dass er solche sinnliche Bilder zur Erläuterung wähle, die auf das Herz eben die Beziehung haben, die er in dem Hauptbegriff entdeckt hat. Also kann man mit wenig Worten sagen; dass der Redner die Begriffe, die er uns beibringen will, allemal auf ähnliche, aber uns sehr bekannte und völlig sinnliche Begriffe zurückführe und uns durch eben so sinnliche Erweiterung und Ausdehnung derselben allmählich helfe, jene Hauptbegriffe durch helle Bilder und Ge mälde anschauend zu erkennen.
Diese rednerische Art, Begriffe richtig und zugleich lebhaft und wirksam der Vorstellungskraft gleichsam einzuverleiben, setzt bei dem Redner großen Verstand und eine höchstlebhafte Einbildungskraft voraus; er muss Philosoph und Dichter zugleich sein. Wenn er sicher sein will, dass die Begriffe, die er einzuprägen hat, in den Gemütern dauerhaft bleiben, so müssen sie die strengste Untersuchung aushalten; denn gegen die Zeit hält kein Irrtum und keine falsche Vorstellung aus.3 Erst denn, wenn er sich selbst durch die strengste philosophische Methode von der Richtigkeit seiner Begriffe versichert hat, kann er die Person des Redners annehmen, um eine sinnliche und populare Einkleidung derselben zu suchen. Auch ist er dann sicher, dass ihn seine Phantasie nicht in die Irre führt.
Auf eine völlig ähnliche Weise verfährt der Redner, wenn er Urteile zu fällen oder Schlüsse zu machen hat; daher dieses keiner besonderen Ausführung bedarf. Die Analogie oder die Ähnlichkeit der Fälle ist überall sein Hauptaugenmerk. Nur zeigt sich hierin ein neuer Unterschied zwischen seiner und des Philosophen Art zu verfahren. Dieser darf nur einmal richtig urteilen oder schließen; dann hat er seinen Zweck erreicht; der Redner kann sein Urteil und seinen Schluss, weil sie allemal aus besonderen ähnlichen Fällen folgen, mehrmal wiederholen; weil er mehrere ähnliche Fälle, deren jeder seine besondere sinnliche Kraft hat, wählen. Dieses gibt ihm den Vorteil, auf derselben Wahrheit zu verweilen; sie von mehreren Seiten zu zeigen und dadurch desto unauslöschlicher zu machen. Hat er hierzu Urteilskraft genug, so kann er aus den gemeinesten Vorstellungen seiner Zuhörer eine Anzahl solcher aussuchen, die ihnen am öftersten wieder zu Sinne kommen und dadurch hänget er die Wahrheiten, die er vorträgt, an eine Menge gemeiner Vorstellungen, die beinahe täglich sich in uns erneueren und eben dadurch auch das Gefühl, der damit durch den Redner verbundenen Wahrheiten, wieder erwecken. Hierbei aber hat er wohl zu überlegen, was für eine Art Menschen er zu Zuhörern hat. Sind es gemeine Menschen, so kann er die ähnlichen Fälle und Beispiele mehr anhäufen und sich länger dabei verweilen als wenn er stärkere Denker vor sich hat. Zum Beispiel einer gemeinen lehrenden Rede, kann die angeführt werden, welche die Tugend dem Herkules hält, die Xenophon aus dem Prodicus uns aufbehalten hat. Eigentlich ist ein Volk erst denn völlig unterrichtet, wenn ihm die notwendigsten Grundbegriffe und Grundwahrheiten, die einen unmittelbaren Einfluss auf sein Betragen haben sollen, so geläufig und so einleuchtend sind, dass jeder sich derselben beinahe stündlich erinnert. Dieses aber kann nur dadurch er halten werden, dass jene Grundbegriffe durch Ähnlichkeit an alle täglich vorkommende sinnliche Begriffe angehänget werden; und dass auf diese Art unsere tägliche Bemerkungen gemeiner Dinge uns durch eine geläufige Analogie auf jene Grundwahrheiten führen.
Auf diese Weise müssen die wichtigsten Kenntnisse, die der Philosoph an den Tag gebracht hat, durch den lehrenden Vortrag des Redners allgemein ausgebreitet und zum Gebrauch wirksam gemacht werden. Und hier öfnet sich für einen philosophischen Redner ein weites Feld zu einer sehr reichen Ärndte von Verdienst. Nach so unzähligen Wochenschriften, Predigten und anderen politischen und moralischen Abhandlungen in dem lehrenden Vortrag der Redner, findet sich eine beträchtliche Anzahl der wichtigsten Begriffe und Grundwahrheiten, die noch gar nicht in dem hellen Lichte stehen, in welchem jeder Mensch sie sehen sollte. Eigentlich ist diese Materie nie zu erschöpfen, weil es immer möglich ist die Sachen durch neue Bilder und neue Ähnlichkeiten noch heller und stärker vorzustellen. Es ist möglich, wenn Geschmack und Kenntnis unter einem Volk einmal auf einen gewissen nicht unbeträchtlichen Grad gekommen sind, auch die schwersten und verwickeltesten Begriffe sehr leicht und popular zu machen. Viele sehr gemeine aber höchstwichtige Begriffe, haben einer solchen Bearbeitung noch nötig. Die Begriffe von bürgerlicher Gesellschaft, von Gesetz, von Obrigkeit, von Regent und Unterthan, von Magistratswürde und Bürger und viele andere sind von der höchsten Wichtigkeit; sie haben so gar, da die Sachen selbst, die dadurch ausgedrückt werden, so unmittelbar mit der Glückselig keit des Menschen verbunden sind, etwas Erhabenes. Aber ich getraue mir zu sagen, dass kein Volk in der Welt ist, unter dem sie in ihrer Hoheit und zugleich in wahrer Faßlichkeit, auch nur dem hundertsten Teil der Nation geläufig wären. Noch sind über die lehrende Rede einige allgemeine Anmerkungen zu machen, die wir hier nicht übergehen können. Die sinnlichen Vorstellungen müssen denen, für die der Redner arbeitet, schlechterdings sehr bekannt und geläufig sein, damit sie schnell sich über die ganze Vorstellungskraft ausbreiten. Sie müssen also von gemeinen Gegenständen hergenommen werden; und doch müssen sie eine nicht gemeine Aufmerksamkeit erwecken. Dieses ist ein schwerer Punkt, der einen Redner von Genie erfordert, der dem völlig bekannten den Reiz des Neuen zu geben und das alltägliche als merkwürdig vorzustellen wisse. Wer sich nicht sehr weit über die gemeine Art zu denken erhoben hat, wird hierin nicht glücklich sein. In den gemeinesten Kenntnissen der Menschen, so wie in den gemeinesten Künsten und Einrichtungen der bürgerli chen Gesellschaft kommen unzählige Dinge vor, die groß und zum Teil bewunderungswürdig sind und nur deswegen unter der Menge unserer Vorstellung unbemerkt liegen bleiben, weil man ihrer gewohnt ist. Nur der, welcher auf die ersten Gründe der Dinge zurückegehen kann, sieht sie in ihrer Größe. Ein solcher Mann muss der Redner sein, dessen lehrender Vortrag einfach, allgemein verständlich und doch von großer Kraft sein soll.
Auch ist dieses ein Hauptkunststück des lehrenden Vortrages, dass man die wichtigsten Vorstellungen der Einbildungskraft unvermerkt an die Empfindungen hänge, um sie desto lebhafter zu machen. Eigentlich hängt alles, was in der Speculation wichtig ist, irgendwo mit den Empfindungen zusammen. Denn es ist nichts groß, das nicht einen Einfluss auf das Beste der Menschen habe; und so bald man diese Seite gesehen hat, so wird bei einem redlichen Mann die Empfindung bald rege. Ich habe es schon anderswo erinnert, dass mehr Wahrheit als man allgemein denkt, in der Erklärung der Alten liege, dass der Redner ein beredter und dabei redlicher Mann sein müsse.4 In dem lehrenden Vortrag ist es beinahe unmöglich die volle Kraft der Beredsamkeit zu erreichen, wo nicht das Herz des Redners von Eifer für das Wohlsein der Menschen warm ist. Denn nur in diesem Falle nehmen alle seine Vorstellungen etwas
von dem leidenschaftlichen Ton an, der sie so eindringend macht: hauptsächlich deswegen ist Rousseau einer der beredtesten Menschen, die jemals in der Welt bekannt worden. Auf diese große Kraft, die das Leidenschaftliche dem lehrenden Vortrag gibt, ziehlt Bodmer in der schönen Stelle, wo er die Debora
Noch durchfließt mich ein heiliger Schauer, so oft ich gedenke, Wie mit Entzückungen ringend, von göttlichen
Flammen ergriffen, Sie uns die Bothschaft sagte, –– Dass wir erschaffen wären, dass uns ein Ewiger machte;
Einer vor dessen Geist die noch nicht gewordene Schöpfung
Und das verschiedne Verhältnis der Dinge zugegen gewesen, Als sie noch künftig waren.5 Hat der Redner wichtige Wahrheiten vorzutragen, so tut das Gefühl seiner eigenen Überzeugung, wenn er es seinen Zuhörern kann empfinden machen, beinahe so viel als der offenbareste Beweis. Selbst star ke Denker getrauen sich kaum an Sachen zu zweifeln, von denen sie andere, auch denkende Köpfe, innig überzeugt sehen; gemeine Menschen aber unterstehen sich dieses gar nicht. Kommen also noch innere faßliche Gründe dazu, so kann der Redner gewiss sein, seinen Zuhörer völlig überzeugt zu haben.
Sehr wichtig ist auch dieses für den Redner, dass er die schon einmal festgesetzten und dem Ansehen nach unveränderlichen Meinungen seiner Zuhörer genau kenne. Dieses gibt ihm oft den Vorteil, dass er anstatt eine Wahrheit gerade zu beweisen, nur zeigen darf, dass sie als ein besonderer Fall in dem schon festgesetzten Urteil enthalten sei.
Über die Form und die Anordnung der lehrenden Rede haben wir wenig zu sagen. Im Grunde beobachtet der Redner eben die Methode, welche die Logik dem Philosophen vorschreibt. Eine Rede, darin eine Wahrheit soll erwiesen werden, muss allemal auf einen Vernunftschluß können gebracht werden: folglich besteht sie aus drei Hauptteilen; den sogenannten beiden Vordersätzen, worauf der dritte Teil, nämlich der Schluss folgt. Der Redner muss sich seine ganze Rede anfänglich in Form eines richtigen Vernunftschlusses oder Sillogismus vorstellen. Hat er sich von der Richtigkeit und Gründlichkeit desselben überzeugt; so fängt er nun an den Plan zum Vortrag und zur Ausführung jedes der drei Sätze seines Vernunftschlußes zu denken. Dieses bestimmt die drei Hauptteile seiner Rede.
Bisweilen hält er für nötig, jeden der beiden Vordersätze, nachdem er vorgetragen worden, durch besondere Ausführung zu bestätigen. Dann entstehen fünf Hauptteile seiner Rede, wie schon anderswo angemerkt worden.6
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1 S. Rede.
2 Es ist hier der Ort nicht dieses genau auszuführen. Wer nicht den Unterschied zwischen der deutlichen und klaren Vorstellung, wie unsere Philosophen ihn entwickelt haben, hier vor Augen hat, kann das Theoretische dieses Artikels nicht fassen. Die deutliche Erkenntnis lässt uns in jedem Gegenstande die wahren Elemente, woraus er besteht, sehen; die bloß klare verwandelt den Gegenstand in ein Phänomen, in eine sinnliche Erscheinung und wirkt deswegen auf die Empfindung. Die Theorie dieser Sache ist schwer und mit wenig Worten nicht faßlich zu machen. Ein sinnliches Beispiel kann einiges Licht geben. Wenn man einem Menschen eine große Summe Geldes einzeln, thalerweise schenkt, einen Thaler nach dem anderen, so wird er nicht das dabei empfinden, was er empfinden würde, wenn er die ganze Summe auf einmal bekäme. Jene Art hat eine Ähnlichkeit mit der deutlichen Erkenntnis, diese mit der klaren. Schon hieraus lässt sich einigermaasen begreifen, warum die klare Kenntnis wirksamer ist als die deutliche. In dieser hat der Geist, da er auf einmal nur Eines zu fassen hat, keine Anstrengung nötig; in jener muss er sich gleichsam zusammen raffen, weil ihm viel auf einmal vorkommt. Dieses Zusammenraffen erweckt in ihm das Gefühl seiner Wirksamkeit und macht, dass er nicht nur an den Gegenstand, sondern auch an sich selbst und an seinen inneren Zustand denkt. Dadurch wird er fähig von dem Gegenstand angenehm oder unangenehm gerührt zu werden. Hierin liegt der Übergang von dem Erkennen zum Wollen.
3 Opinienum commenta delet dies naturæ judica confirmat. Cicero.
4 Vir bonus dicendi peritus.
5 S. Noachide IV Ges.
6 S. Beweisarten. S. 162 .