Lichter. (Redende Künste) Cicero nennt1 die einzeln Gedanken oder Stellen der Rede, welche besonders hervorstechen, orationis lumina, Lichter der Rede, die das zu sein scheinen, was die griechischen Rhetoren
..µata nennen. Es sind also einzelne Gedanken, die durch irgend eine Art der Kraft uns stärker rühren als das übrige der Stelle, welcher sie einverleibt werden: sie treten aus dem Ton des übrigen heraus, verursachen plötzlich einen stärkern Eindruck und unterbrechen die Einförmigkeit der Wirkung der Rede; wie wenn in einem sanften und gelassenen Ton der Rede auf einmal etwas heftiges oder in einem heftigen Ton etwas sehr sanftes und zärtliches vorkommt; oder wenn unter Vorstellungen, die bloß den Verstand erleuchten sollen, auf einmal das Herz in Empfindung gesetzt wird. Überhaupt also können alle Stellen in der Rede, wodurch die Aufmerksamkeit auf Vorstellungen oder Empfindungen einen ausserordentlichen Reiz bekommt, hierher gerechnet werden; sehr kräftige Denksprüche, Machtsprüche, Bilder, Metaphern und Figuren von großem hervorstechendem Nachdruck.
Dergleichen Lichter sind in jeder gebundenen oder ungebundenen Rede um so viel notwendiger; weil die Einförmigkeit der Wirkung, ob diese gleich an sich noch so stark ist, doch allmählich in eine der Aufmerksamkeit schädliche Zerstreuung setzt. Selbst das Brausen eines starken Wasserfalles, das uns anfänglich beinahe betäubet, wird wegen seiner Einförmigkeit in die Länge fast unmerkbar. Darum muss in den Werken der schönen Künste, die wir nach und nach vernehmen, von Zeit zu Zeit etwas vorkommen, wodurch die Aufmerksamkeit aufs neue gereizt wird. Man findet beim Quintilian in den zwei ersten Abschnitten des IX Buches fast alles beisammen, was hierüber kann gesagt werden.
In der Musik ist dieses eben so nötig als in der Rede. Da kann eine plötzliche etwas ungewöhnliche Ausweichung oder Versetzung oder irgend eine andere unvermutete Wendung des Gesangs oder der Harmonie, dasselbe bewirken.
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1 S. Brut. c. 79. Orat. c. 25.