Licht. (Malerei) Der Maler, dem daran gelegen ist, alles was zur Kunst der Farbengebung gehört, gründlich zu erkennen, hat über die Beschaffenheit und Wirkungen des Elements, wodurch uns die Körper sichtbar werden, verschiedene Beobachtungen zu machen, die er ohne Nachteil der Kunst nicht vernachläßigen kann. Wir wollen die wichtigsten davon hier auseinandersetzen und dem Künstler das weitere Nachdenken darüber und die Anwendung dessen, was er dadurch zum Behuf der Kunst lernen wird, anheim stellen.
Zuvorderst muss das Licht als die Ursache der Farben angesehen werden; weil kein Körper Farbe zeigt als insofern Licht auf ihn fällt. Der Gegenstand also oder der Teil desselben, der des Lichts völlig beraubet ist, muss notwendig schwarz scheinen, von welcher Art sonst seine Farbe am Licht sei. Der Körper sei rot, gelb oder blau, so bald einem seiner Teile das Licht völlig benommen ist, wird derselbe Teil schwarz.
Daraus folgt auch, dass die Stärke des Lichts die Farbe eines Gegenstandes verändere; zwar nicht die Art der Farbe, aber ihre Höhe. Roth bleibt immer rot, so lang ein merkliches Licht darauf fällt; aber bei jeder Veränderung der Stärke des Lichts verändert sich dieses rote und wird heller oder dunkler. Nur das allerhöchste wieder apprellende Licht, ändert die Farbe ganz und macht die Stelle, wo es auffällt, weiß, die Farbe des Körpers mag sein, von welcher Art man wolle.
Dieses sind bei der Farbengebung höchstwichtige Sätze, weil die wahre Haltung jedes Gegenstandes aus dieser Wirkung des Lichts entsteht. Um diese Fundamentallehre in völlige Deutlichkeit zu setzen, müssen wir hier eine kleine Ausschweifung machen.
Es wird in der Naturlehre gezeigt, dass man sich das Sonnenlicht, welches auf den Erdboden fällt als gerade und einander parallellaufende Linien vorstellen könne und dass die Stärke des Lichts auf jeder Stelle, aus dem Abstand der Punkte in welchen zwei nächst aneinander liegende Linien auffallen, könne geschätzt werden. Dieses vorausgesetzt stelle man sich in dieser Figur die geraden parallellaufenden Linien aA, 1I, 2II u.s.w. als Strahlen des Sonnenlichtes vor und ab sei eine gefärbte Linie, z.B. ein roter Faden, der die Lichtstrahlen in rechten Winkeln durchschneidet; b c ein Faden von derselbigen Farbe, der die einfallenden Strahlen schief durchschneidet; A, I, II, B aber ein Faden von derselben Farb in einen Zirkelbogen gekrümmet.
Das bloße Anschauen der Figur zeigt, dass über der ganzen Länge des Fadens a b, das Licht in gleicher Stärke verbreitet sei; weil die Punkte a 1, 1 2,
u.s.w. in welchen die Strahlen auffallen, durch die ganze Länge der Linie gleich weit von einander abstehen. Darum wird der Faden a b in seiner ganzen Länge dieselbe Farbe zeigen. Eben so sieht man, dass auf dem Faden b c das Licht auch durch seine ganze Länge gleich ist; weil die Punkte c 1', 1' 2'' u.s.w. ebenfalls durch die ganze Länge der Linie b c gleich weit aus einanderstehen. Also wird auch dieser Faden durchaus einerlei Farbe haben; aber sie wird eine andre Schattierung haben als die Farbe des Fadens a b, weil das Licht, das auf den Faden b c fällt, um so viel schwächer ist als das, was auf a b fällt, um so viel als die Linie c 1' länger ist als die Linie a 1. Der Faden b c wird also ein dunkleres Roth haben als der Faden a b.
Mit dem Faden A I B, verhält es sich ganz anders. Man sieht aus der Figur, dass die Stärke des Lichts sich in jeder Stelle verändert; denn bei B fallen die Strahlen näher aneinander auf den Faden als bei A. Der Abstand der Punkte A I ist der größte, I, II, etwas kleiner, II, III, wieder etwas kleiner u.s.w. Darum ist das Licht zwischen A und I am schwächsten; zwischen I und II etwas stärker; zwischen II und III wieder etwas stärker und so nimmt es an Stärke immer zu, bis in B, wo es am stärksten ist.
Daraus folgt, dass der Faden A B auf jeder Stelle eine andere Schattierung seiner roten Farbe habe. Bei B wird sie am hellesten sein und immer dunkler werden bis nach A: was aber unterhalb dem Punkt A ist, wird wegen gänzlichem Mangel des Lichts seine Farbe völlig verlieren und schwarz scheinen.
Man stelle sich nun eine runde glatte Kugel, von welcher Farbe man wolle, vor, die von der Sonne erleuchtet wird; diese Kugel muss, vermöge der oben erwähnten Beobachtung auf der Hälfte, die erleuchtet wird, alle mögliche Schattierungen der Farbe, die sie hat, zeigen. Da wo das höchste Licht auffält, wird sie am hellesten und da wo gar kein Licht hinfällt, wird sie schwarz sein. Zwischen diesen beiden Stellen aber wird die eigentümliche Farbe der Kugel auf jeder Stelle eine besondere Schattierung haben: welches nicht sein würde, wenn man anstatt der Kugel einen flachen Teller von derselben Farbe gegen die Sonne kehrte; denn weil auf jeden Punkt des Tellers eben so starkes Licht fällt als auf jeden anderen; so bleibt die eigentümliche Farbe des Tellers in jedem Punkt dieselbige. Also macht die, von der höchsten Stelle des Lichts bis auf den völligen Schatten, allmählich abnehmende Stärke desselben und die daher entstehende Mannigfaltigkeit der Schattierungen der eigentümlichen Farbe der Kugel, dass wir sie als eine Kugel und nicht als einen flachen Teller sehen. Daher ist klar, dass die Gestalt der Körper, insofern sie nicht mehr durch die Umrisse kann angedeutet werden, allein von der allmählichen Schattierung ihrer eigentümlichen Farben, durch die Stärke und Schwäche des Lichts, dem Auge fühlbar wird.
Also hat der Maler vor allen Dingen die Wirkung des stärkeren und schwächeren Lichts auf jede Farbe gründlich zu beobachten und dabei zu bedenken, dass die Stärke des Lichts von zwei Ursachen herkomme, nämlich von der absoluten Menge desselben, da z.B. das Sonnenlicht bei etwas nebligter Luft weniger Stärke hat als bei völlig reinem Himmel und denn von der Lage, die jede Stelle des Körpers gegen die Richtung des Lichts hat und wodurch es, wie aus der vorherstehenden Figur erhellt, stärker oder schwächer wird. Die Veränderungen der Farben, die dadurch verursacht werden, müssen ihm für jeden Grad der Stärke des Lichts völlig bekannt und geläufig sein und er muss diesen Teil der Kunst, mit der Genauigkeit eines Naturforschers studieren, wie Leonhardo da Vinci getan hat.
Der zweite Hauptpunkt, den er zu überlegen hat, betrift die Natur; oder Farbe des Lichts selbst; weil auch dieses die Farbe der Körper ändert. Es gibt weißes, gelbes, blaues Licht u.s.w. Man setze, dass der Maler in seinem Zimmer einen vor ihm stehenden Gegenstand zu malen habe, der bloß vom Himmel oder von dem durch die Fenster einfallenden Tageslicht, ohne Sonnenschein erleuchtet wird. Ist die Luft hell und rein, so kommt alles Licht von dem blauen Himmel; ist die Luft mit weißen Wolken überzogen, so kommt es von diesen allein: jenes blaue Licht aber gibt allen Farben der Körper einen anderen Blick als dieses Weiße. Die gelbe Farbe würde bei dem blauen Lichte der hellen Luft schon etwas grünlich werden. Darum muss der Maler auch diesen Einfluss des Lichts auf die Farben genau erforschen. Am wichtigsten ist diese Kenntnis in Absicht auf das, von gefärbten Körpern auf die zu malenden Gegenstände zurückgeworfene Licht; aber davon wird an einem anderen Orte besonders gehandelt werden.1
Die dritte Betrachtung, die der Maler über das Licht zu machen hat, ist sein Einfluss auf die Haltung und Wirkung. Man findet nämlich, dass derselbe Gegenstand, z.B. eine Gegend, bei merklich verändertem Licht auch ihr ganzes Ansehen verändert, mehr oder weniger angenehm wird und dass sich alle darauf befindliche Dinge besser oder schlechter ausnehmen, das Auge reizen oder ihm gleichgültig werden; nachdem ein stärkeres oder schwächeres Licht darauf fällt oder nachdem das Licht allgemein verbreitet oder auf eine Stelle eingeschränkt ist oder nachdem das eingeschränkte Licht in einem kleinen oder großen Winkel, von der rechten oder linken Seite, von vorne oder von hinten, einfällt. Diese Betrachtung wird sehr weitläufig und der Maler, der alle Vorteile der guten Wirkung des Lichts auf das Gemälde überhaupt mit Sicherheit nuzen will, muss unglaublich viel beobachtet haben. Wir wollen nur die Hauptpunkte berühren. Ei nige allgemeine hierhergehörige Beobachtungen sind in dem Artikel über die Haltung bereits angeführt worden.
Auf die Wirkung der Stärke und Schwäche des Lichts, muss der Maler aufmerksam sein: jede malerische Szene, sowohl in der leblosen Natur als in der sittlichen Welt, bei hellem und dunkeln Himmel, bei Sonnenschein und an trüben Tagen, muss er mit dem überlegenden Auge eines wahren Künstlers betrachten. Je mehr er sich darin übet, je mehr Vorteile wird er entdecken, die bald das stärkere, bald das schwächere Licht dem Gegenstand gibt. So wird er finden, dass ein sehr starkes Licht, zumal wenn die Schatten nicht durch ein beträchtliches wiederscheinendes Licht erheitert werden, der Harmonie des Gemäldes schädlich ist; indem die hellen und dunklen Stellen, in einiger Entfernung, wie abstechende Flecken aussehen. Bei gewissen Anordnungen der Gegenstände wird er gewahr werden, dass ein schwaches Licht alles matt macht, ein starkes aber eine unangenehme Zerstreuung kleiner, heller und dunkler Massen hervorbringt. Er wird aber wohl tun, wenn er nach dem Beispiel des da Vinci seine Bemerkungen aufschreibt; auch bisweilen, wo er besonders gute Wirkungen des Lichts wahrgenommen hat, sich derselben durch flüchtige Entwürfe versichert. Die Fälle, wie man die Gegenstände in der Natur angeord
net antrift, sind unendlich; mancher Anordnung ist ein starkes Licht vorteilhaft, da ein schwächeres bei einer anderen Anordnung bessere Wirkung tut. Es ist nötig dem Maler, der seine Kunst von Grund aus studieren will, dergleichen mannigfaltige Beobachtungen zu empfehlen, damit er nur erst sich selbst überzeuge, dass die Kunst unerschöpflich sei und dass er täglich Gelegenheit habe, etwas Neues zu lernen.
In Ansehung der Verbreitung oder Ausdehnung des Lichts ist zuvorderst anzumerken, dass es Szenen gibt, über welche sich das Licht von allen Seiten her gleich ausbreitet, da in anderen Fällen bloß von einer Seite das stärkste Hauptlicht einfällt, folglich nur eine Seite der Gegenstände trift, da die andere Seite bloß von weit schwächerm wiederscheinenden Licht einige Beleuchtung bekommt. Jenes allgemein verbreitete Licht ist das Tageslicht auf freien uneingeschränkten Plätzen, wo jeder Gegenstand sowohl von oben als von jeder Seite her, dasselbe Licht empfängt. Das eingeschränkte Licht entsteht entweder vom Sonnenschein auf freien Plätzen oder daher, dass die Gegenstände an einigen Seiten von Mauern, Wänden oder Höhen so bedeckt sind, dass das Tageslicht nur von einer einzigen Seite auf sie fallen kann; wie in einem Zimmer, das nur nach einer Gegend Fenster hat oder an dem Fuß hoher Berge und ansehnlicher Gebäude, die das Tageslicht von einer oder mehreren Seiten auffangen.
Bald tut das allgemein verbreitete, bald das mehr oder weniger eingeschränkte Licht die beste Wirkung, nachdem die Anordnung und andere Umstände des Gemäldes beschaffen sind. Überhaupt hat das allgemein verbreitete Licht den Vorteil, dass dadurch die Harmonie leichter zu erhalten ist und dass die Schatten, weil sie gemäßiget sind, nicht als schwarze Flecken erscheinen Nur für einzelne Gegenstände, wie die Portraite sind, ist ein genau eingeschränktes, dabei aber etwas gedämpftes Licht nicht nur vorzüglich, sondern beinahe notwendig.
Über das eingeschränkte Licht wird ein genauer Beobachter mancherlei wichtige Bemerkungen zu machen haben. Er wird finden, dass in den meisten Fällen ein etwas hocheinfallendes Licht die beste Wirkung tut; weil dadurch auch der Boden, worauf die Gegenstände stehen, hinlänglich erleuchtet wird und weil die Schatten nicht nur kürzer, sondern auch runder und in angenehmere Formen gebildet werden als bei niedrigem oder flachen Licht. Aber er wird auch Fälle beobachten können, wo eine Gruppe, die schon für sich ein vollständiges Gemälde ausmachen würde, am vorteilhaftesten durch ein sehr genau eingeschränktes und bloß durch eine kleine Öfnung einfallendes Licht, das nur auf die Hauptfigur fällt, erleuchtet wird, das die anderen Figuren bloß abglitschend und durch Wiederscheine etwas erhellt. Am sorgfältigsten muss der Maler die Fälle beobachten, wo die vereinigte Wirkung der Anordnung der Gegenstände und des einfallenden Lichts eine gänzliche Zerstreuung des hellen und dunkeln, in lauter kleine Massen verursacht; denn dieses ist einer der wichtigsten Fehler eines Gemäldes.
Es gibt auch Fälle, wo die Szene des Gemäldes von zwei Lichtern erleuchtet wird; wie wenn z.B. ein Zimmer von zwei Seiten her Fenster hätte. Dieses tut meistenteils eine sehr schlechte Wirkung und ist dem Maler zu raten, das doppelte Licht zu vermeiden. Nur in dem Falle, wenn das von einer Seite einfallende Licht zu stark oder wie man sagt, zu grell wäre, kann ein von der entgegenstehenden Seite kommendes gedämpftes Licht sehr vorteilhaft sein; weil es die allzudunkle Schatten mildert.
Bisweilen sieht man in der Natur Szenen, wo durchaus ein überall verbreitetes sehr gedämpftes Licht herrscht, das hier und da durch ein weit helleres, aber nur durch eine enge Öfnung einfallendes stärkeres Licht erhöhet wird und dieses kann eine sonderbar gute Wirkung tun. In der Churfürstlichen Gallerie in Dreßden ist eine sehr schöne Landschaft von Ruisdael, die eine Jagd mitten in einem Wald vorstellt, darin solche helle Blicke eine vortrefliche Wirkung tun. Herr Zink der sie gestochen, hat in Behandlung dieser hellen Lichter große Geschicklichkeit gezeigt.
Alle diese Anmerkungen betreffen das Studium über die vorteilhafte oder schädliche Wirkung des Lichts für die Gemälde in der Natur selbst. Dadurch hat der Maler noch nicht alles getan: er muss mit diesen Beobachtungen auch die verbinden, die er an Gemälden großer Meister machen kann. Die Arbeiten des Corregio werden ihn lehren, wie bei sehr starkem Lichte dennoch in dem Gemälde, sowohl in den hellen als in den dunklen Stellen eine bewunderungswürdige Schönheit und Harmonie statt haben könne. Die Gemälde der älteren Venetianischen Schule werden ihm alle Vorteile eines gemäßigten Lichts zur höchsten Lieblichkeit und Harmonie der Farben zeigen.
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1 Wiederschein.