Wörter. (Redende Künste) Wir betrachten hier die Wörter nicht in ihrer ganzen Beschaffenheit und Bedeutung als die Elemente der Sprache, sondern bloß nach der besonderen ästhetischen Kraft, die in einigen derselben liegt. Der Sprachlehrer zeigt, wie die Worte gewählt, zusammengesetzt und wie das Veränderliche darin müsse bestimmt werden, um für jeden Fall das auszudrücken, was man zu sagen hat. Von diesem allgemeinen Gebrauch der Worte ist hier die Rede nicht; sondern bloß von dem, was Redner oder Dichter in gewissen Fällen, in Absicht des ästhetischen Gebrauchs besonderer Wörter zu überlegen haben. Redner und Dichter müssen sich so verständlich und so richtig ausdrücken als es zum gemeinen Gebrauch nötig ist; also kommt hier eigentlich nicht die Wahl der Worte in Absicht auf Verständlichkeit und Richtigkeit, sondern in Rücksicht auf die ästhetischen Eigenschaften in Betrachtung.
In den redenden Künsten werden die Wörter in Rücksicht auf den Klang und auf das Ästhetische der Bedeutung beurteilt. Von dem Klang ist bereits gesprochen worden [s. Klang und Wohlklang], also ist noch das Ästhetische der Bedeutung zu betrachten. Was wir darunter verstehen, ist bereits anderswo hinlänglich gezeigt worden [s. Ausdruck]. Die Redner und noch mehr die Dichter müssen sich ein besonderes Studium aus der Erwägung der ästhetischen Eigenschaften der Worte machen. Denn erst dann ist der Ausdruck vollkommen, wenn die Worte den Charakter haben, der mit dem Inhalt übereinstimmt, wenn sie edel, hoch, komisch, pathetisch, angenehm, nachdrücklich und überhaupt genau in dem Ton und Charakter der Materie sind, zu deren Ausdruck sie gebraucht werden. Ein hohes Wort zum Ausdruck eines gemeinen Gedankens, wird lächerlich und ein niedriges Wort zu Bezeichnung eines hohen oder edeln Begriffs, ist anstößig.
Die genaue Kenntnis der ästhetischen Eigenschaft eines Wortes erfordert nicht nur eine sehr genaue Bekanntschaft mit der Sprache, sondern auch Kenntnis der Welt oder der verschiedenen Stände der Menschen und einen sehr feinen Geschmack; denn oft hängen sie von kaum merklichen Kleinigkeiten ab.
Die Beredsamkeit folgt in der Wahl der Wörter nicht eben denselben Maximen, nach denen die Dichtkunst sie wählt. Zwar vermeiden beide alles gemeine, niedrige, durch den gemeinsten Gebrauch abgenutzte; alles was unangenehme oder widrige Nebenbegriffe erweckt. Die Beredsamkeit aber begnügt sich aus den bekanntesten Wörtern die edelsten und besten auszusuchen. Die Dichtkunst hingegen liebt das fremde, ungewöhnliche, das ihrem Ausdruck etwas ausserordentliches gibt. Da Ton und Sprache des Dichters schon an sich etwas ausserordentliches und enthusiastisches haben, so schicken sich auch dergleichen Worte für die poetische Sprache. Schon die Griechen haben uns Beispiele dieser besonderen Wahl poetischer Wörter gegeben. Wir haben aber schon anderswo von der Notwendigkeit und von der näheren Beschaffenheit der, der Dichtkunst eigenen Sprache, unsere Meinung geäußert [Prosa; Poetische Sprache].
Nicht nur in Wörtern, wodurch man Hauptbegriffe ausdrückt oder einzelne merkwürdige Dinge bezeichnet, sucht die Dichtkunst etwas eigenes zu behaupten, sondern auch in solchen, die zur Verbindung der Begriffe, zum Schwung und zur Wendung der Gedanken dienen. Und wo sie aus Not die Verbindungswörter aus der gemeinen täglichen Sprache des Umganges braucht, weiß sie ihnen doch durch fremde Stellung und einen nachdrücklichen Gebrauch einen höheren Ton zu geben [s. Ton].