Ästhetisch. (Schöne Künste überhaupt) Die Eigenschaft einer Sache, wodurch sie ein Gegenstand des Gefühls, und also geschickt wird, in den Werken der schönen Künste gebraucht zu werden. Die Ausdrücke: ein ästhetischer Gedanken, ein ästhetisches Bild u. d. gl. bezeichnen solche Gedanken und Bilder, die bequem sind, in einem Werk des Geschmacks Platz zu finden. Die Ausdrücke: poetisch, malerisch, rednerisch und dergleichen, bezeichnen so viel besondere Arten des Ästhetischen.
Zum ästhetischen Stoff gehört alles, was vermögend ist, eine, die Aufmerksamkeit der Seele an sich ziehende, Empfindung hervor zu bringen.1 Solche Empfindungen können aber nicht ohne die selbsttätige Mitwirksamkeit der Seele hervor gebracht werden.2 Also werden sie durch den ästhetischen Stoff mehr veranlasst als hervorgebracht. Der Künstler verliert seine Arbeit, wenn die, für welche sie gemacht ist, die Fähigkeit nicht haben, davon gerührt zu werden. Also hat zwar der Künstler den Charakter und das Genie der Personen, für welche er arbeitet, genau zu erwägen: dieses aber hindert nicht, dass er nicht auch, auf der anderen Seite, die Beschaffenheit des Ästhetischen überhaupt sich genau müsse bekannt machen. Das Ästhetische in einem Gegenstand erweckt die Empfindung nicht allemal; aber der Mangel des selben schließt allemal und ohne Ausnahme den Gegenstand von den Werken der Künste aus. Bringt die Kenntnis des ästhetischen den Künstler nicht allemal zu seinem Zweck, so verwahrt sie ihn doch vor der Schuld die Erreichung desselben selbst zu hindern.
Die Gegenstände, die geschickt sind Empfindungen zu veranlassen, können in drei Gattungen eingeteilt werden. Sie stellen sich entweder dem Verstande dar oder der Einbildungskraft oder sie wirken unmittelbar auf die Begehrungskräfte der Seele. Aus so viel verschiedenen Gattungen besteht der ästhetische Stoff. Die nähere Betrachtung jeder Gattung ist an einem anderen Orte vorgenommen worden.3
Wir bemerken hier nur überhaupt, dass man oft sehr unrecht das Schöne für die einzige Gattung des ästhetischen Stoffs angibt. Dahin zielt das vermeinte Grundgesetz der schönen Künste ab: Man soll die Natur ins Schöne nachahmen. Das Hässliche hat einen eben so gegründeten Anspruch auf die Künste, als das Schöne. Furcht, Abscheu und andere widrige Empfindungen zu erwecken, gehört eben so gewiss zum Endzweck der Künste als die Erweckung des Vergnügens. Jene widrigen Empfindungen aber werden nicht durch das Schöne hervorgebracht. Es ist also notwendig, dass der Begriff des Ästhetischen auf alle Arten der Empfindungen ausgedehnt werde.
Noch ist dem Künstler das Nachdenken über den Wert des ästhetischen Stoffs zu empfehlen. Diesen bekommt er nicht aus der Stärke der durch ihn veranlaßten Empfindung, sondern aus dem Guten, das durch selbige bewirkt wird. Man kann Ekel und Abscheu oder Vergnügen erwecken, die auf weiter nichts abzielen, als dass überhaupt die Tätigkeit der Seele gereizt werde. Aber eben diese Empfindungen können durch Gegenstände veranlasst werden, an denen der Ekel oder das Vergnügen höchst wichtig ist. Es dient zu nichts, einen Menschen durch ein plötzliches Geschrei als ob ein großes Unglück entstanden sei, zu erschrecken; aber ihm Schrecken über eine begangene Missetat zu erwecken, ist etwas Wichtiges. Auf diesen Wert des ästhetischen Stoffs muss der Künstler, der auf wahren Ruhm Anspruch macht, seine Aufmerksamkeit richten und diesen muss er in der ganzen Natur und in allen Winkeln der Philosophie und der Moral aufsuchen.
Bloß in der körperlichen und sittlichen Natur einige angenehme Blumen aufzusuchen, das Gefällige, das Belustigende, das Ergötzende aus allen Quellen hervor zu bringen, ist eine sehr geringe Veranstaltung zur Herbeischaffung des äesthetischen Stoffs. Eine Sammlung von Schmetterlingen und schön gefärbten Muscheln macht kein Kabinet aus, aus welchem der Reichtum und die allmächtige Kraft der Natur könnte bewiesen werden.
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1 S. Kraft, Empfindung.
2 S. Geschmack.
3 S. Kraft.