Adagio. (Musik) Dieses italienische Wort bedeutet etwas mittelmäßig langsames und wird den Tonstücken vorgesetzt, welche mit schmachtendem und zärtlichem Affekt sollen gespielt oder gesungen werden. Ein solches Stück wird auch selbst ein Adagio genannt.
Das Adagio schickt sich zu einem langsamen und bedächtlichen Ausdruck, für zärtlich traurige Leidenschaften. Weil dabei jeder Ton deutlich und bedächtlich angegeben wird, so muss ein solches Stück notwendig einfacher und ungekünstelter sein als geschwindere Sachen. Alle Leidenschaften, deren Sprache langsam und bedächtlich ist, sind rührend. Daher muss der Tonsetzer in dem Adagio mehr für das Herz als für die Einbildungskraft arbeiten. Künstlich ausgedachte Figuren schicken sich nicht dazu; denn je mehr das Herz gerührt ist, je weniger zeigt sich der Witz. In Ansehung der Harmonie erfordert diese Gattung den größten Fleis, weil die Fehler leicht bemerkt werden. Man tut übrigens wohl, wenn man dergleichen Stücke nicht gar lang macht: sie ermüden den Zuhörer leicht. Hierin versehen es bisweilen die grösten Meister, da sie doch bedenken sollten, dass ein einziger Augenblick Langerweile das Vergnügen eines ganzen Stücks zerstört.
Das Adagio erfordert eine besonders gute Ausführung; nicht nur deswegen, weil bei der Langsamkeit jeder kleine Fehler gar leicht bemerkt wird, sondern auch darum, weil es wegen Mangel des Reichtums matt wird, wenn nicht ein nachdrücklicher und kräftiger Ausdruck es schmackhaft macht. Der Spieler, welcher sich nicht in einen sanften zärtlichen Affekt setzen kann, der ihm den wahren Ton dieser Gattung von selbst angibt, wird darin nicht glücklich sein. Viele große Sänger und Spieler sind im Adagio niemals glücklich gewesen. Hr. Quanz hat in dem 14ten Hauptstück seiner Anleitung zum Flötenspielen viele nützliche Anmerkungen über den Vortrag dieser Gattung.