Außenseite

Außenseite. (Baukunst) Eine der Hauptseiten eines Gebäudes, die man von Außen übersieht. Ein viereckigtes ganz freistehendes Gebäude hat also vier Außenseiten. Die vornehmste ist die, welche gegen den besten Platz von Außen gestellt ist und an der der Haupteingang zum Gebäude ist. Eine gute Außenseite trägt das meiste zu dem Ansehen eines Gebäudes bei. Die Maße desselben ist auch in den größten und prächtigsten Gebäuden etwas so einfaches, dass das Auge bald davon abgelenkt und auf die besondere Betrachtung der Außenseite gerichtet wird.

 Dem Gebäude von Außen ein gutes Ansehen zu geben, ist ein wichtiger Teil der Kunst. Die Aussenseiten müssen gleich den Charakter des Gebäudes an sich tragen und außer der allgemeinen Empfindung des Wohlgefallens, welches aus der Regelmäßigkeit, Ordnung, Übereinstimmung der Teile entsteht, die besonderen Empfindungen der Größe oder Pracht, des Reichtums, der Anmut erwecken. Der Geschmack, der in den Außenseiten herrscht, muss den Stand dessen, der das Haus bewohnt oder die Bestimmung des Gebäudes anzeigen. Ein Tempel muss sich an seinen Außenseiten anders zeigen als ein Zeughaus; dieses anders als ein Vorratshaus oder als ein Palast oder als das Haus eines Privatmannes. Die meisten Regeln der Baukunst gehen auf die Schönheit der Außenseiten, weil sie vorzüglich in die Augen fallen. Folgende Anmerkungen können als die ersten Grundsätze angesehen werden, die man bei der Anordnung und Verzierung der Außenseiten zum beständigen Leitfaden brauchen muss.

 Von einer ihr angemessenen Entfernung, die dem Auge noch verstattet, auch die kleineren Teile zu unterscheiden, muss sie auf einmal als ein festes, regelmäßiges und wohl geordnetes Ganzes, in die Augen fallen. Diesem Grundsatz zufolge, muss sie einen der Höhe angemessenen Fuß, und ein solches Gebälk haben. (S. Ganz.) Ferner muss alles seine angemessene Größe und Stärke haben; das Gebäude muss weder zu viel noch zu wenig mit Fenstern durchgebrochen sein, weil im ersten Fall das Ansehen der Festigkeit geschwächt wird; im anderen aber das Ganze zu plump scheint. Diesem zufolge müssen auch die Säulen, wenn man sie anbringt, weder zu enge, noch zu weit auseinander stehen. (S. Säulenweite.)

 Alle herunter laufende Linien, müssen genau senkrecht und alle quer überlaufende genau waagerecht gehen. Jede dieser Linien muss ihren bestimmten Anfang und ihr bestimmtes Ende haben, so dass keine sich mitten an der Außenseite verliert. Alle Achsen der Säulen und Pfeiler, die über einander stehen, müssen eine einzige Linie ausmachen, so wie die Mittellinien aller waagerecht laufenden Glieder von einer Höhe.

  Ist die Außenseite von einer beträchtlichen Größe, so muss sie in mehrere Hauptteile oder Partien eingeteilt sein. Von diesen muss eine gerade in der Mitte als die Hauptpartie sein, welche durch ihre vorzügliche Schönheit das Auge gleich an sich zieht. Auf diese Weise entsteht recht in der Mitte der Außenseite eine Mittellinie, von welcher das Auge die übrigen Teile durchschauet und die Übereinstimmung, Symmetrie und Eurythmie abmisst. Diese Hauptteile müssen ein gutes Verhältnis gegen einander haben, welches schwerlich das Verhältnis von 1 zu 2 überschreiten kann. Sind die Teile neben der Mitte zu groß, so muss man sie wieder in kleinere abteilen.

 Die Außenseiten leiden keine kleinen Zierraten, zumal, wenn sie nicht als Teile anderer Teile als der Säulen oder Pfeiler, betrachtet werden. Denn zu geschweigen, dass sie in der Entfernung, aus welcher das Gebäude muss angesehen werden, verschwinden, so tun sie noch die schädliche Wirkung, dass sie das Auge zerstreuen, vom Ganzen abführen und auf einzelne Teile richten, mit denen man das Ganze nicht mehr vergleichen kann. Es ist überhaupt ein höchstwichtiger Grundsatz, dass kein kleiner Teil, keine einzelne Säule, kein Fenster, kein angehängtes Schnitzwerk, so hervor stehe, dass man verführt werden könn te, die Betrachtung des Ganzen fahren zu lassen, um seine Aufmerksamkeit auf das einzelne zu richten. Wenn an einer Außenseite die Hauptteile sich die Waage so halten, dass keiner davon das Auge auf sich zieht, bis es den Eindruck des Ganzen genossen hat; wenn denn auch die kleinen Teile das Auge an sich locken, bis die Hauptteile gefasst sind, so ist sie in ihrer Art vollkommen.

 Dass die Außenseite die Art und den Geschmack, auch die besondere Bestimmung des ganzen Gebäudes anzeigen müsse, ist schon erinnert worden. Die Überlegung dieses Punkts ist den Baumeistern um so mehr zu empfehlen als die Fehler, die man gegen diesen Grundsatz des guten Geschmacks begeht, gar nicht selten sind. Überhaupt aber ist zu wünschen, dass man von den heutigen allzu sehr mit Zierraten überhäuften Außenseiten wieder auf die Einfalt der Griechen zurück kehre, die mehr auf das Große, auf das bloß regelmäßige und ordentliche als auf den aus der Menge der Teile entstehenden Reichtum gesehen haben. Man muss immer bedenken, dass die Außenseiten mehr dienen, von weitem einen guten Begriff vom Ganzen zu erwecken als den Zuschauer davor stille stehen zu machen, um jede Säule oder jedes Fenster oder wohl gar noch kleinere Teile, Stunden lang anzusehen.

So wie die innere Anordnung uns missfallen würde, wenn sie winklicht und wenn zwischen den großen Zimmern viel kleinere unregelmäßige Verschläge wären, so muss auch einem von gutem Geschmacke geleiteten Auge die Anordnung einer Aussenseite missfallen, auf deren Fläche viel kleines und winklichtes zu sehen ist. S. Anordnung.

 


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