Ätzen. Ätzkunst. Die Kunst, vermittelst eines scharfen Wassers die Zeichnung auf metallene Tafeln einzugraben, von welchen sie danach auf Papier abgedruckt werden. Das Ätzen ist eine Art, ohne Grabstichel zu stechen und ist zum Gebrauch der Kupferstecherkunst erfunden worden.
Die Hauptumstände des Ätzens sind folgende. Man nimmt eine wohl geglättete und fein polierte Tafel, fast allezeit von feinem Kupfer. Diese überzieht man mit einer dünnen Haut von Firnis, welche man danach mit dem Rauch einer Lampe schwärzt oder mit einem anderen matten Grund überzieht. Auf diesen Grund wird die Zeichnung ganz leicht mit Bleistift oder Röthel aufgetragen oder auf eine andere Art des Abzeichnens darauf gebracht.
Nach dieser Zeichnung wird mit einer scharfen Radiernadel der Firnis bis auf das Kupfer weggerissen, auch wird wohl etwas in das Kupfer hineingerizt. Diese Verrichtung wird eigentlich das Radieren genannt.1
Dann wird um den Rand der Tafel ein Bord von Wachs gemacht und das Ätzwasser auf die Tafel gegossen. Dieses frisst alle aufgerissene Striche in das Kupfer ein, ohne den Firnis selbst anzugreifen und dieses wird eigentlich das Ätzen genannt. Wenn es tief genug eingefressen hat, so wird das Ätzwasser von der Tafel abgespühlt, der Firnis abgenommen und damit ist die Tafel fertig. Jede der beschriebenen Verrichtungen erfordert gewisse Handgriffe, die in besonderen Artikeln umständlicher beschrieben werden. S. Gründen, Abzeichnen, Radieren, Firnis. Das Besondere aber, was bei dem eigentlichen Ätzen in Acht zu nehmen ist, wollen wir hier umständlicher beschreiben.
Die Vollkommenheit des Ätzens besteht darin, dass das Wasser jeden Strich der Radiernadel mit der Stärke oder Schwäche ausfresse, welche die Haltung des Ganzen erfordert. Hierzu trägt zwar schon das Radieren selbst das Vornehmste bei, indem man mit der Nadel einige Striche breiter oder feiner, stärker oder schwächer in das Kupfer eingräbt: allein das Ätzen selbst muss diese Vorsichtigkeit unterstützen, indem das Schwache flächer, das Starke tiefer eingeprägt werden muss. Dieses erfordert große Vorsichtigkeit bei dem Ätzen.
Die Schwierigkeiten, die sich dabei zeigen, kommen so wohl von dem Ätzwasser als von anderen Umständen her. Selten kann man den Grad der Schärfe des Wassers vorher bestimmen: dasselbige Wasser ist schärfer oder schwächer, nach Beschaffenheit der Luft und besonders der Wärme derselben. Bisweilen ist eine halbe Minute der Zeit zu viel und schon im Stande alles zu verderben.
Es ist überhaupt notwendig, dass auf den schwa chen Stellen das Wasser eine kürzere Zeit fresse als auf den starken. Damit man dieses erhalte, so lässt man das Wasser erst nur so lange wirken als etwa zu den schwachen Stellen nötig ist; dann lässt man es ablaufen und deckt dieselben mit einer fetten Materie, welche die Wirkung des Wassers hemmet, zu: wenn dieses geschehen ist, so kann es auf die stärkern Stellen wieder aufs neue angegossen werden. Wenn man dieses sorgfältig beobachtet, so wird die Tafel ihre gehörige Haltung bekommen.
Doch darf man auch die allerkräftigsten Stellen nicht allzu lange der Wirkung des Wassers überlassen. Es frisst so wohl in die Breite als in die Tiefe, so dass durch ein zu langes Fressen die stärkern Striche, die nahe an einander liegen, ganz in einander fließen, welches denn eine üble Wirkung tut. Es ist deswegen nötig, dass man, ehe dieses geschieht, die Wirkung des Wassers kenne und wenn die Striche noch nicht stark genug sind, dass man sie durch den Grabstichel danach kräftiger mache: wie denn überhaupt der Grabstichel den geätzten Platten allemal sehr zu Hilfe kommen kann. Der Grabstichel dringt tiefer in das Kupfer als Ätzwasser, seine Striche sind schärfer, und geben beim Abdruck die Farbe schwärzer. Daher können durch Vermischung der beiden Gattungen vorteilhafte Wirkungen hervor gebracht werden.
Das Ätzwasser kann gemeines Scheidewasser sein, dessen Schärfe durch gemeines Wasser etwas gemildert worden. Da es aber auch einige Firnisse angreift, so ist es etwas gefährlich. Das beste Wasser zum Ätzen wird aus abgezogenem Weineßig, Salmiak, gemeinem Salz und Grünspan gemacht. Der Eßig wird in einen wohl glasurten oder besser in einen porcellainen Topf gegossen, darin auch die anderen Materien, nachdem man sie klein gestoßen, die beiden ersten jede zu sechs Teilen, der Grünspan aber zu vieren, geschüttet werden. Diese Mischung wird bei gutem Feuer ein Paar mal aufgekocht und wohl umgerührt; danach abgeklärt und zum Gebrauch aufbehalten. Eine einzige Probe ist hinreichend, um zu sehen, ob dieses Wasser zu stark oder zu schwach ist. Im ersten Fall gießt man mehr Eßig zu.2
Die Ätzkunst ist neuer als die Kunst, mit dem Grabstichel in Kupfer zu stechen. Einige schreiben die Erfindung derselben dem Albrecht Dürer zu. Die Sache ist aber ungewiss. Einer der ersten, die sich darin hervor getan haben, ist > I>Simon Erisius, ein Holländer. Er führte die Nadel mit großer Fertigkeit und kam dem Feinen des Grabstichels sehr nahe.
Abraham Bosse hat in einem besonderen Werke die Handgriffe dieser Kunst beschrieben.3 Eine umständliche Beschreibung derselben findet man auch in dem französischen Dictionaire encyclopedique.
Diese Erfindung ist bei nahe noch wichtiger als die Kunst, mit dem Grabstichel zu stechen. In der Zeit, da eine Tafel durch diese letztere Art fertig wird, kann man bei nahe hundert geätzte Tafeln verfertigen. Dadurch wird also die Ausbreitung der Kunst sehr erleichtert. Und da jeder, der gut zeichnen kann, in kurzer Zeit die Ätzkunst vollkommen lernt, so sind die Maler selbst im Stande, ihre Werke in Kupfer zu bringen, die denn unstreitig mehr von dem ursprünglichen Geist und der Originalvollkommenheit behalten als wenn sie von anderen ängstlich nachgemacht werden. Dergleichen von den Malern selbst geätzte Stücke werden von Kennern allemal denen vorgezogen, die bloß von Kupferstechern verfertigt sind. Hierzu kommt noch dieser wichtige Vorteil, dass die Radiernadel allemal mit mehr Freiheit geführt wird und eine größere Mannigfaltigkeit der Charaktere des Zeichnens ausdrücken kann als der Grabstichel. Die Zeichnung der Nadel ist allemal freier und kann der Natur des Gegenstandes besser angemessen werden als die Stiche des Grabstichels.
Gewisse Sachen, die der Grabstichel niemals mit ihrem gehörigen Charakter darzustellen weiß, besonders Landschaften, Viehstücke und alles, wo viel Rauhes, Mattes und Abgebrochenes vorkommt; wo freie oder unbestimmte Umrisse mit beständig veränderten Krümmungen nötig sind; da wird allemal mit der Nadel vollkommener gearbeitet als mit dem
Grabstichel. Wenn also ein Gemälde, das sich durch eine freie und feurige Zeichnung, durch einen sehr natürlichen Charakter, durch eine mehr geistreiche als verflossene Haltung und Harmonie hervor tut, soll in Kupfer gebracht werden, so ist das Ätzen dem Stechen allemal vorzuziehen. Aber die gestochenen Platten haben vor den geätzten diesen Vorteil, dass sie mehr gute Abdrücke geben. Denn von einer gut gestochenen Platte muss man sechs bis achtundert haben, da die geätzten schon im vierten Hundert merklich abnehmen.
Ferner muss man auch wieder gestehen, dass durch bloßes Ätzen viel Gemälde, in Absicht auf die Haltung und Harmonie, niemals vollkommen können dargestellt werden; denn zu geschweigen, dass gewisse ganz feine und leichte Dinge der Gefahr des Ätzens nicht können überlassen werden, so kann man auch den starken Teilen in den Vorgründen durch das bloße Ätzen selten die nötige Stärke geben. Die Hilfe des Grabstichels ist dabei unvermeidlich. Die vollkommensten Kupferstiche sind also unstreitig diejenigen, worinn beide Arten, je nachdem es die verschiedenen Teile des Gemäldes erfordern, verbunden werden.
Die Künstler, deren geätzte Platten am höchsten geschätzt werden, sind unter den ältern, Peter Testa, Salvator Rosa, die Carrache, Rembrand, Matthäus Merian, Stephan della Bella, Callot, Hooghe, le Clerc; unter den neueren, Cochin und die deutschen Künstler, Schmidt, der eben so vortrefflich in der Radiernadel als im Grabstichel ist; und Meil, dessen eigene Manier eben so angenehm ist als seine Erfindungen geistreich sind.
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1 Vom lateinischen radere.
2 S. Diktion. de peinture par Mr. l'Abbé Pernety. Art. Eau forte.
3 La Manière de graver à l'eau forte & au burin par Abrah. Bosse, revûe & augmentée par Mr. Cochin le fils.