Aufschrift. (Beredsamkeit) Eine kurze Rede, wodurch eine merkwürdige Sache auf einem Denkmal ausgedruckt wird. (S. Denkmal.) Man kann die Aufschrift, ob sie gleich nicht notwendig in Versen gemacht wird, als eine besondere Art des Sinngedichtes ansehen und sie ein Sinngedicht zu einem Denkmal nennen. Die Aufschrift soll, ihrer Absicht gemäß, etwas ganz merkwürdiges, auf die kürzeste und nachdrücklichste Weise sagen. Sie gehört deswegen unter die Werke, deren Wichtigkeit man nicht nach ihrer Größe schätzen soll; dann es ist oft schwerer eine vollkommene Aufschrift als eine große Rede zu machen. Eine weitläufige Sache durch wenige Meisterzüge bezeichnen, durch wenig Worte viel sagen, ist in redenden Künsten gerade das schwerste. Da man weder Beschreibungen, noch ausgeführte Bilder brauchen kann, die Einbildungskraft stark zu rühren, so müssen die wenigen Ausdrücke, von der größten Fruchtbarkeit, Stärke und Einfalt sein. Es kann nur einem recht guten Genie gelingen, eine vollkommene Aufschrift zu machen und noch gehört ein glücklicher Augenblick dazu. Wie viel man auch in der kürzesten Aufschrift sagen könne, sieht man aus der, welche Poußin auf das Grabmal einer Schäferin in einem berühmten Gemälde gesetzt hat: Auch ich war in Arcadien. Man lese nach, was der Abt dü Bos1 hierüber angemerkt hat.
Die Alten waren oft sehr glücklich in Aufschriften und denen, welche in dieser Art zu arbeiten haben, ist zu raten, dass sie die Aufschriften, welche Pausanias in seiner Beschreibung Griechenlands aufbehalten hat, die welche man in den griechischen Antologien findet, auch die besten von denen, die man aus alten Denkmälern gesammlet hat, fleißig studieren.
Außer der sinnreichen Erfindung wird auch ein vollkommener Ausdruck zu der Aufschrift erfordert. Er muss Einfalt, Stärke, Kürze verbinden und von sehr gutem Wohlklang sein, damit er desto gewisser im Gedächtnis bleibe. Wo es angeht, sollte die Aufschrift in Versen sein, in halben Versen, in ganzen einzeln, in zweien oder vieren, die man Hemistichia, Distichia, Tetrasticha, nennt. (S. Vers.) Weil man aber in einer so sehr kurzen Rede wenig Freiheit hat, so geht dieses nicht allemal an. Anstatt der Verse muss man die Rede in kurze, wohl ins Gehör fallende, Sätze einteilen. Es ist daher eine besondere Schreibart für die Aufschriften entstanden, welche man den Stylum lapidarem nennt. Als ein Muster einer guten Aufschrift, kann die angeführt werden, welche auf der bei Murten in der Schweiz stehenden Kapelle, darin die Gebeine der dort in der bekannten Schlacht gebliebenen Burgunder zusammen gelegt sind, zu lesen ist. DEO. OPT. MAX. CAROLI INCYTI FORTISSIMI DUCIS BURGUNDIAE EXERCITUSMURATUM OBSIDENS AB HEL VETIIS CAESUS HOC SUI MONUMENTUM RELIQUIT. Wegen der edlen Einfalt verdient auch die Aufschrift an dem Invalidenhaus bei Berlin angeführt zu werden: LAESO ET INVICTO MILITT. Hingegen ist auf einem der größten öffentlichen Gebäude dieser Stadt eine deutsche Aufschrift, die einem Handwerksmanne zur Schande gereichen würde.
Man hat bisweilen die Frage aufgeworfen, ob es nicht wohl getan wäre, wenn die Maler ihre Werke, nach Art der Denkmäler, durch Aufschriften erläuterten. Es lässt sich leicht sehen, dass ein Gemälde dadurch sehr viel gewinnen kann.2 Aber es ist schwer sie so schicklich anzubringen als Poußin in dem angeführten Fall es getan hat. Doch sind sehr viel Wege dazu. Sie können auf Gebäude, auf Denkmäler, auf Gefäße und andere Nebensachen des Gemäldes angebracht werden. Wem ein Kupferstich von Fueßli, der 1768. in London heraus gekommen ist, darauf Dion wie er in Sirakusa ein Gespenst sieht, vorgestellt wird, zu Gesichte kommt, der kann darauf vielerlei gute Wege, Aufschriften anzubringen, auf einmal sehen. Die Sache ist wichtig und verdient eine genaue Überlegung.
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1 Reflexions sur la posie et la peinture T. I. Sect. VI.
2 S. du Bos Reflex. etc. T. I. sect. 13.