Anrede. (Redende Künste) Eine Figur, deren sich sowohl Redner als Dichter bedienen, ihren Vorstellungen neue Kraft zu geben. Diese Figur besteht eigentlich darin, dass die Rede plötzlich ihre Wendung verlässt und mitten in einer Erzählung oder Betrachtung, voll Affekt eine Person anredet. Sie ist von den Griechen apostrophe, welches Wegwendung
Haec genus acre virûm, Marsos pubemque
Sabellam Assuetumque malo Ligurem, Volscosque verutos Extulit: haec Decios, Marios, magnosque Camillos Scipiadas duros bello et te maxime Caesar!1
empfindet man bei der, in den letzten Worten liegenden Anrede, einen Schlag, der plötzlich die Aufmerksamkeit aufs neue reizt.
Die Anrede wirkt überhaupt schnell und stark; aber ihre Wirkung ist nach des Redners oder Dichters Absicht sehr verschieden. Sie kann Mitleiden, Zorn, Verachtung und jeden anderen Affekt erwecken. Sie muss aber sparsam gebraucht werden, damit sie ihre Kraft nicht verliere.
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1 Georg. L. II. 167.