II. Haupteinteilungen der Logik
Die Logik wird eingeteilt
1) in die Analytik und in die Dialektik.
Die Analytik entdeckt durch Zergliederung alle Handlungen der Vernunft, die wir beim Denken überhaupt ausüben. Sie ist also eine Analytik der Verstandes- und Vernunftform, und heißt auch mit Recht die Logik der Wahrheit, weil sie die notwendigen Regeln aller (formalen) Wahrheit enthält, ohne welche unser Erkenntnis, unangesehen der Objekte, auch in sich selbst unwahr ist. Sie ist also auch weiter nichts als ein Kanon zur Dijudikation (der formalen Richtigkeit unsers Erkenntnisses).
Wollte man diese bloß theoretische und allgemeine Doktrin zu einer praktischen Kunst, d. i. zu einem Organon brauchen: so würde sie Dialektik werden. Eine Logik des Scheins (ars sophistica, disputatoria), die aus einem bloßen Mißbrauche der Analytik entspringt, so fern nach der bloßen logischen Form der Schein einer wahren Erkenntnis, deren Merkmale doch von der Übereinstimmung mit den Objekten, also vom Inhalte hergenommen sein müssen, erkünstelt wird.
In den vorigen Zeiten wurde die Dialektik mit großem Fleiße studiert. Diese Kunst trug falsche Grundsätze unter dem Scheine der Wahrheit vor, und suchte, diesen gemäß, Dinge dem Scheine nach zu behaupten. Bei den Griechen waren die Dialektiker die Sachwalter und Redner, welche das Volk leiten konnten, wohin sie wollten, weil sich das Volk durch den Schein hintergehen läßt. Dialektik war also damals die Kunst des Scheins. In der Logik wurde sie auch eine Zeitlang unter dem Namen der Disputierkunst vorgetragen, und so lange war alle Logik und Philosophie die Kultur gewisser geschwätziger Köpfe, jeden Schein zu erkünsteln. Nichts aber kann eines Philosophen unwürdiger sein, als die Kultur einer solchen Kunst. Sie muß daher in dieser Bedeutung gänzlich wegfallen und statt derselben vielmehr eine Kritik dieses Scheines in die Logik eingeführt werden.
Wir würden demnach zwei Teile der Logik haben: die Analytik, welche die formalen Kriterien der Wahrheit vortrüge; und die Dialektik, welche die Merkmale und Regeln enthielte, wonach wir erkennen könnten, daß etwas mit den formalen Kriterien der Wahrheit nicht übereinstimmt, ob es gleich mit demselben1) übereinzustimmen scheint. Die Dialektik in dieser Bedeutung würde also ihren guten Nutzen haben als Katharktikon des Verstandes.
Man pflegt die Logik ferner einzuteilen
2) in die natürliche oder populare und in die künstliche oder wissenschaftliche Logik (logica naturalis, log. scholastica, s. artificialis).
Aber diese Einteilung ist unstatthaft. Denn die natürliche Logik oder die Logik der gemeinen Vernunft (sensus communis) ist eigentlich keine Logik, sondern eine anthropologische Wissenschaft, die nur empirische Prinzipien hat, indem sie von den Regeln des natürlichen Verstandes- und Vernunftgebrauchs handelt, die nur in concreto, also ohne Bewußtsein derselben in abstracto, erkannt werden. — Die künstliche oder wissenschaftliche Logik verdient daher allein diesen Namen, als eine Wissenschaft der notwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens, die, unabhängig von dem natürlichen Verstandes- und Vernunftgebrauche in concreto, a priori erkannt werden können und müssen, ob sie gleich zuerst nur durch Beobachtung jenes natürlichen Gebrauchs gefunden werden können.
3) Noch eine andre Einteilung der Logik ist die in theoretische und praktische Logik. Allein auch diese Einteilung ist unrichtig.
Die allgemeine Logik, die, als ein bloßer Kanon, von allen Objekten abstrahiert, kann keinen praktischen Teil haben. Dieses wäre eine contradictio in adiecto, weil eine praktische Logik die Kenntnis einer gewissen Art von Gegenständen, worauf sie angewandt wird, voraussetzt. Wir können daher jede Wissenschaft eine praktische Logik nennen; denn in jeder müssen wir eine Form des Denkens haben. Die allgemeine Logik, als praktisch betrachtet, kann daher nichts weiter sein, als eine Technik der Gelehrsamkeit überhaupt; — ein Organon der Schulmethode.
Dieser Einteilung zu Folge würde also die Logik einen dogmatischen und einen technischen Teil haben. Der erste würde die Elementarlehre, der andre die Methodenlehre heißen können. Der praktische oder technische Teil der Logik wäre eine logische Kunst in Ansehung der Anordnung und der logischen Kunstausdrücke und Unterschiede, um dem Verstande dadurch sein Handeln zu erleichtern.
In beiden Teilen, dem technischen so wohl als dem dogmatischen, würde aber weder auf Objekte noch auf das Subjekt des Denkens die mindeste Rücksicht genommen werden dürfen. — In der letztern Beziehung würde die Logik eingeteilt werden können
4) in die reine und in die angewandte Logik. —
In der reinen Logik sondern wir den Verstand von den übrigen Gemütskräften ab und betrachten, was er für sich allein tut. Die angewandte Logik betrachtet den Verstand, so fern er mit den andern Gemütskräften vermischt ist, die auf seine Handlungen einfließen und ihm eine schiefe Richtung geben, so daß er nicht nach den Gesetzen verfährt, von denen er wohl selbst einsieht, daß sie die richtigen sind. — Die angewandte Logik sollte eigentlich nicht Logik heißen. Es ist eine Psychologie, in welcher wir betrachten, wie es bei unserm Denken zuzugehen pflegt, nicht, wie es zugehen soll. Am Ende sagt sie zwar, was man tun soll, um unter den mancherlei subjektiven Hindernissen und Einschränkungen einen richtigen Gebrauch vom Verstande zu machen; auch können wir von ihr lernen, was den richtigen Verstandesgebrauch befördert, die Hülfsmittel desselben oder die Heilungsmittel von logischen Fehlern und Irrtümern. Aber Propädeutik ist sie doch nicht. Denn die Psychologie, aus welcher in der angewandten Logik alles genommen werden muß, ist ein Teil der philosophischen Wissenschaften, zu denen die Logik die Propädeutik sein soll.
Zwar sagt man: die Technik, oder die Art und Weise, eine Wissenschaft zu bauen, solle in der angewandten Logik vorgetragen werden. Das ist aber vergeblich, ja sogar schädlich. Man fängt dann an zu bauen, ehe man Materialien hat, und gibt wohl die Form, es fehlt aber am Inhalte. Die Technik muß bei jeder Wissenschaft vorgetragen werden.
Was endlich
5) die Einteilung der Logik in die Logik des gemeinen und die des spekulativen Verstandes betrifft: so bemerken wir hierbei, daß diese Wissenschaft gar nicht so eingeteilt werden kann.
Sie kann keine Wissenschaft des spekulativen Verstandes sein. Denn als eine Logik des spekulativen Erkenntnisses oder des spekulativen Vernunftgebrauchs wäre sie ein Organon andrer Wissenschaften und keine bloße Propädeutik, die auf allen möglichen Gebrauch des Verstandes und der Vernunft gehen soll.
Eben so wenig kann die Logik ein Produkt des gemeinen Verstandes sein. Der gemeine Verstand nämlich ist das Vermögen, die Regeln des Erkenntnisses in concreto einzusehen. Die Logik soll aber eine Wissenschaft von den Regeln des Denkens in abstracto sein.
Man kann indessen den allgemeinen Menschenverstand zum Objekt der Logik annehmen; und in so ferne wird sie von den besondern Regeln der spekulativen Vernunft abstrahieren und sich also von der Logik des spekulativen Verstandes unterscheiden.
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1) Akad.-Ausg.: »denselben«.
Fortsetzung:
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