Überzeugung und Überredung


Aus den bisherigen Bemerkungen über die Natur und die Arten des Fürwahrhaltens können wir nun das allgemeine Resultat ziehen: daß also alle unsre Überzeugung entweder logisch oder praktisch sei. — Nämlich wenn wir wissen, daß wir frei sind von allen subjektiven Gründen und doch das Für wahrhalten zureichend ist, so sind wir überzeugt und zwar logisch oder aus objektiven Gründen überzeugt (das Objekt ist gewiß).

Das komplette Fürwahrhalten aus subjektiven Gründen, die in praktischer Beziehung so viel als objektive gelten, ist aber auch Überzeugung, nur nicht logische, sondern praktische (ich bin gewiß). Und diese praktische Überzeugung oder dieser moralische Vernunftglaube ist oft fester als alles Wissen. Beim Wissen hört man noch auf Gegengründe, aber beim Glauben nicht; weil es hierbei nicht auf objektive Gründe, sondern auf das moralische Interesse des Subjekts ankommt.**

Der Überzeugung steht die Überredung entgegen; ein Fürwahrhalten aus unzureichenden Gründen, von denen man nicht weiß, ob sie bloß subjektiv oder auch objektiv sind.

Die Überredung geht oft der Überzeugung vorher. Wir sind uns vieler Erkenntnisse nur so bewußt, daß wir nicht urteilen können, ob die Gründe unsers Fürwahrhaltens objektiv oder subjektiv sind. Wir müssen daher, um von der bloßen Überredung zur Überzeugung gelangen zu können, zuvörderst überlegen, d. h. sehen, zu welcher Erkenntniskraft ein Erkenntnis gehöre; und sodann untersuchen, d. i. prüfen, ob die Gründe in Ansehung des Objekts zureichend oder unzureichend sind. Bei vielen bleibt es bei der Überredung. Bei einigen kommt es zur Überlegung, bei wenigen zur Untersuchung. — Der da weiß, was zur Gewißheit gehört, wird Überredung und Überzeugung nicht leicht verwechseln und sich also auch nicht leicht überreden lassen. — Es gibt einen Bestimmungsgrund zum Beifall, der aus objektiven und subjektiven Gründen zusammengesetzt ist, und diese vermischte Wirkung setzen die mehresten Menschen nicht aus einander.

Obgleich jede Überredung der Form nach (formaliter) falsch ist, so fern nämlich hierbei eine ungewisse Erkenntnis gewiß zu sein scheint: so kann sie doch der Materie nach (materialiter) wahr sein. Und so unterscheidet sie sich denn auch von der Meinung, die eine ungewisse Erkenntnis ist, so fern sie für ungewiß gehalten wird. —

Die Zulänglichkeit des Fürwahrhaltens (im Glauben) läßt sich auf die Probe stellen durch Wetten oder durch Schwören. Zu dem ersten ist komparative, zum zweiten absolute Zulänglichkeit objektiver Gründe nötig, statt deren, wenn sie nicht vorhanden sind, dennoch ein schlechterdings subjektiv zureichendes Fürwahrhalten gilt.

 

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** Diese praktische Überzeugung ist also der moralische Vernunftglaube, der allein im eigentlichsten Verstande ein Glaube genannt und als solcher dem Wissen und aller theoretischen oder logischen Überzeugung überhaupt entgegen gesetzt werden muß, weil er nie zum Wissen sich erheben kann. Der sogenannte historische Glaube dagegen darf, wie schon bemerkt, nicht von dem Wissen unterschieden werden, da er, als eine Art des theoretischen oder logischen Fürwahrhaltens, selbst ein Wissen sein kann. Wir können mit derselben Gewißheit eine empirische Wahrheit auf das Zeugnis anderer annehmen, als wenn wir durch Facta der eigenen Erfahrung dazu gelangt wären. Bei der erstem Art des empirischen Wissens ist etwas Trügliches, aber auch bei der letztern. —

Das historische oder mittelbare empirische Wissen beruht auf der Zuverlässigkeit der Zeugnisse. Zu den Erfordernissen eines unverwerflichen Zeugen gehört: Authentizität (Tüchtigkeit) und Integrität.


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