Philosophie nach dem Schulbegriffe und nach dem Weltbegriffe betrachtet
Philosophie ist also das System der philosophischen Erkenntnisse oder der Vernunfterkenntnisse aus Begriffen. Das ist der Schulbegriff von dieser Wissenschaft. Nach dem Weltbegriffe ist sie die Wissenschaft von den letzten Zwecken der menschlichen Vernunft. Dieser hohe Begriff gibt der Philosophie Würde, d. i. einen absoluten Wert. Und wirklich ist sie es auch, die allein nur innern Wert hat, und allen andern Erkenntnissen erst einen Wert gibt.
Man fragt doch immer am Ende, wozu dient das Philosophieren und der Endzweck desselben — die Philosophie selbst als Wissenschaft nach dem Schulbegriffe betrachtet?
In dieser scholastischen Bedeutung des Worts geht Philosophie nur auf Geschicklichkeit; in Beziehung auf den Weltbegriff dagegen auf die Nützlichkeit. In der erstem Rücksicht ist sie also eine Lehre der Geschicklichkeit; in der letztern eine Lehre der Weisheit: — die Gesetzgeberin der Vernunft, und der Philosoph in so ferne nicht Vernunftkünstler, sondern Gesetzgeber.
Der Vernunftkünstler, oder, wie Sokrates ihn nennt, der Philodox, strebt bloß nach spekulativem Wissen, ohne darauf zu sehen, wie viel das Wissen zum letzten Zwecke der menschlichen Vernunft beitrage; er gibt Regeln für den Gebrauch der Vernunft zu allerlei beliebigen Zwecken. Der praktische Philosoph, der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, ist der eigentliche Philosoph. Denn Philosophie ist die Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft zeigt.
Zur Philosophie nach dem Schulbegriffe gehören zwei Stücke:
Erstlich ein zureichender Vorrat von Vernunfterkenntnissen; — fürs andre: ein systematischer Zusammenhang dieser Erkenntnisse, oder eine Verbindung derselben in der Idee eines Ganzen.
Einen solchen streng systematischen Zusammenhang verstattet nicht nur die Philosophie, sondern sie ist sogar die einzige Wissenschaft, die im eigentlichsten Verstände einen systematischen Zusammenhang hat, und allen andern Wissenschaften systematische Einheit gibt.
Was aber Philosophie nach dem Weltbegriffe (in sensu cosmico) betrifft: so kann man sie auch eine Wissenschaft von der höchsten Maxime des Gebrauchs unsrer Vernunft nennen, so fern man unter Maxime das innere Prinzip der Wahl unter verschiedenen Zwecken versteht.
Denn Philosophie in der letztern Bedeutung ist ja die Wissenschaft der Beziehung alles Erkenntnisses und Vernunftgebrauchs auf den Endzweck der menschlichen Vernunft, dem, als dem obersten, alle andern Zwecke subordiniert sind und sich in ihm zur Einheit vereinigen müssen.
Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung läßt sich auf folgende Fragen bringen:
1) Was kann ich wissen? —
2) Was soll ich tun?
3) Was darf ich hoffen?
4) Was ist der Mensch?
Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.
Der Philosoph muß also bestimmen können
1) die Quellen des menschlichen Wissens,
2) den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauchs alles Wissens, und endlich
3) Die Grenzen der Vernunft. —
Das letztere ist das Nötigste, aber auch das Schwerste, um das sich aber der Philodox nicht bekümmert.