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Physikotheologischer Gottesbeweis

Physikotheologischer Gottesbeweis. Daß aus der Materie durch ihre eigenen Kräfte und Gesetze zweckmäßige Gebilde entstehen konnten, weist auf einen „gemeinschaftlichen Ursprung“ der Dinge aus einem unendlichen Verstand hin (s. Zweck). Die Materie muß in die übereinstimmenden Verhältnisse durch eine über sie herrschende erste Ursache versetzt sein, und „es ist ein Gott eben deswegen, weil die Natur auch selbst im Chaos nicht anders als regelmäßig und ordentlich verfahren kann“, Th. des Himmels Vorr. (VII 12 ff.). Aus der Ordnung und Harmonie, der Einheit in den Wesen der Dinge ist (a posteriori), auf Gott als obersten gemeinschaftlichen Grund derselben zu schließen, Beweisgr. Gottes 1. Abt. 4. Btr. Beschluß (VI 44). Die notwendige Einheit, die in der Natur wahrgenommen wird, und die wesentliche Ordnung der Dinge leitet auf ein oberstes Prinzip dieses Daseins und aller Möglichkeit, ibid. 2. Abt. 5. Btr. (VI 71 ff.). Gott ist der Urheber der Ordnung der Materie und der geordneten Materie selbst, ibid. 6. Btr. (VI 80 f.); vgl. Zweck.

Der physikotheologische (physisch-teleologische) Beweis schließt von der — als Tatsache feststehenden — Zweckmäßigkeit, Ordnung, Regelmäßigkeit, Schönheit der Welt auf das Dasein eines die Welt zweckmäßig ordnenden und leitenden göttlichen Urwesens von höchster Vollkommenheit des Intellekts und Willens. „Dieser Beweis verdient jederzeit mit Achtung genannt zu werden. Er ist der älteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessen. Er belebt das Studium der Natur, so wie er selbst von diesem sein Dasein hat und dadurch immer neue Kraft bekommt. Er bringt Zwecke und Absichten dahin, wo sie unsere Betrachtung nicht von selbst entdeckt hätte, und erweitert unsere Naturerkenntnisse durch den Leitfaden einer besonderen Einheit, deren Prinzip außer der Natur ist.“ „Es würde daher nicht allein trostlos, sondern auch ganz umsonst sein, dem Ansehen dieses Beweises etwas entziehen zu wollen“, KrV tr. Dial. 2. B. 3. H. 6. Abs. (I 533 ff.— Rc 673 ff.). Aber wenn auch dieses Argument in bezug auf „Vernunftmäßigkeit“ und die Teleologie in bezug auf „Nützlichkeit“ des Verfahrens einwandfrei istt, so kann doch der physikotheologische Beweis keinen Anspruch auf apodiktische Gewißheit machen. Er kann das Dasein eines höchsten Wesens nie allein dartun, sondern bedarf zur Ergänzung des — nicht stichhaltigen — ontologischen (s. d.) Gottesbeweises, ibid. (I 535 ff.—Rc 675 ff.). Der Beweis geht von der empirischen Zweckmäßigkeit und Ordnung der Dinge zu der aus ihr geschlossenen Zufälligkeit derselben, von dieser „durch transzendentale Begriffe zum Dasein eines Schlechthinnotwendigen“, von diesem zu dem Begriffe einer „allbefassenden Realität“. Das heißt: er bleibt in seiner Unternehmung stecken, springt zum kosmologischen und mit diesem zum ontologischen Beweise über, leitet also wie dieser das Dasein Gottes durch reine Vernunft ab, nicht aber, wie er glaubt, aus der Erfahrung, ibid. (I 537 ff.—Rc 678 ff.). Dieser Beweis hat folgende Momente: 1. In der Welt sind überall Zeichen einer Anordnung nach bestimmter Absicht. 2. Den Dingen ist diese zweckmäßige Anordnung ganz fremd, sie hängt ihnen nur „zufällig“ an, „d. h. die Natur verschiedener Dinge könnte von selbst, durch so vielerlei sich vereinigende Mittel, zu bestimmten Endabsichten nicht zusammenstimmen, wären sie nicht durch ein anordnendes vernünftiges Prinzip nach zugrunde liegenden Ideen dazu ganz eigentlich gewählt und angelegt worden“. 3. Es existiert also eine erhabene Ursache, die als Intelligenz durch Freiheit die Ursache der Welt sein muß. 4. Die Einheit dieser Ursache ist aus der Einheit der Welteinrichtung — analog der eines Kunstwerkes — wahrscheinlich, ibid. (I 535— Rc 676 f.). Zuzugeben ist nur, daß, wenn wir eine solche Ursache der Zweckmäßigkeit außer der Natur der Dinge selbst annehmen sollen, wir nicht sicherer als nach der Analogie mit der Kausalität der Vernunft sie denken können. Zu beachten ist ferner, daß die Zweckmäßigkeit so vieler Naturanstalten „bloß die Zufälligkeit der Form, aber nicht der Materie, d. i. der Substanz in der Welt“ beweist. Denn zu dem letzteren müßte noch zu beweisen sein, „die Dinge der Welt wären an sich selbst zu dergleichen Ordnung und Einstimmung, nach allgemeinen Gesetzen untauglich, wenn sie nicht, selbst ihrer Substanz nach, das Produkt einer höchsten Weisheit wären“. „Der Beweis könnte also höchstens einen Weltbaumeister, der durch die Tauglichkeit des Stoffs, den er bearbeitet, immer sehr eingeschränkt wäre, aber nicht einen Weltschöpfer, dessen Idee alles unterworfen ist, dartun, welches zu der großen Absicht, die man vor Augen hat, nämlich ein allgenugsames Urwesen zu beweisen, bei weitem nicht hinreichend ist.“ Die Physikotheologie kann keinen bestimmten Begriff von der obersten Weltursache geben, ibid. (I 536 ff.—Rc 677 ff.).

Die Physikotheologie ist „der Versuch der Vernunft, aus den Zwecken der Natur (die nur empirisch erkannt werden können) auf die oberste Ursache der Natur und ihre Eigenschaften zu schließen“. Sie kann nichts von einem Endzweck (s. d.) der Schöpfung eröffnen, denn sie reicht nicht einmal bis zur Frage nach demselben. „Sie kann also zwar den Begriff einer verständigen Weltursache als einen subjektiv für die Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens allein tauglichen Begriff von der Möglichkeit der Dinge, die wir uns nach Zwecken verständlich machen können, rechtfertigen, aber diesen Begriff weder in theoretischer noch praktischer Absicht weiter bestimmen; und ihr Versuch erreicht seine Absicht nicht, eine Theologie zu gründen, sondern sie bleibt immer nur eine physische Teleologie, weil die Zweckbeziehung in ihr immer nur als in der Natur bedingt betrachtet wird und werden muß, mithin den Zweck, wozu die Natur selbst existiert (wozu der Grund außer der Natur gesucht werden muß), gar nicht einmal in Anfrage bringen kann, auf dessen bestimmte Idee gleichwohl der bestimmte Begriff jener oberen verständigen Weltursache, mithin die Möglichkeit einer Theologie ankommt.“ Die teleologische Weltbetrachtung zeigt nur, daß alles „in der Natur“ zu etwas gut ist, nicht aber den Zweck der Natur selbst. Die physische Teleologie treibt uns zwar an, eine Theologie zu suchen, bringt aber keine hervor; denn ohne den Begriff eines durch die Vernunft a priori an die Hand gegebenen Endzwecks läßt sich die oberste Ursache der Natur als eines teleologischen Systems nicht näher bestimmen. Wir können hier nicht angeben, ob der göttliche Verstand mit dem Ganzen der Welt noch eine „Endabsicht“ gehabt haben möge, KU § 85 (II 306 ff.); vgl. N 5624, 6302, 5488. Vgl. Ethikotheologie, Gott, Theologie, Zweck, Zweckmäßigkeit.