Theologie
Theologie. „Die ersten Gründe der natürlichen Gottesgelahrtheit sind der größten philosophischen Evidenz fähig.“ „Das Objekt der natürlichen Religion ist die alleinige erste Ursache; seine Bestimmungen werden so bewandt sein, daß sie nicht leichtlich mit anderer Dinge ihren können verwechselt werden. Die größte Überzeugung aber ist möglich wo es schlechterdings notwendig ist, daß diese und keine anderen Prädikate einem Dinge zukommen... Daher das schlechterdings notwendige Wesen ein Objekt von der Art ist daß, sobald man einmal auf die echte Spur seines Begriffes gekommen ist, es noch mehr Sicherheit als die meisten anderen philosophischen Kenntnisse zu versprechen scheint.“ „In allen Stücken ..., wo nicht ein Analogon der Zufälligkeit anzutreffen ist, kann die metaphysische Erkenntnis von Gott sehr gewiß sein“ (z. B. daß Gott alles voraussieht). „Allein das Urteil über seine freien Handlungen, über die Vorsehung, über das Verfahren seiner Gerechtigkeit und Güte ..., kann in dieser Wissenschaft nur eine Gewißheit durch Annäherung haben oder eine, die moralisch ist“, Nat. Theol. 4. Btr. § 1 (V 1, 141 ff.).
„Wenn ich unter Theologie die Erkenntnis des Urwesens verstehe, so ist sie entweder die aus bloßer Vernunft (theologia rationalis) oder aus Offenbarung (revelata). Die erstere denkt sich nun ihren Gegenstand entweder bloß durch reine Vernunft, vermittelst lauter transzendentaler Begriffe (ens originarium, realissimum, ens entium), und heißt die transzendentale Theologie, oder durch einen Begriff, den sie aus der Natur (unserer Seele) entlehnt, als die höchste Intelligenz, und müßte die natürliche Theologie heißen.“ — „Die transzendentale Theologie ist entweder diejenige, welche das Dasein des Urwesens von einer Erfahrung überhaupt (ohne über die Welt, wozu sie gehört, etwas näher zu bestimmen) abzuleiten gedenkt und heißt Kosmotheologie, oder glaubt durch bloße Begriffe, ohne Beihilfe der mindesten Erfahrung sein Dasein zu erkennen, und wird Ontotheologie genannt.“ — „Die natürliche Theologie schließt auf die Eigenschaften und das Dasein eines Welturhebers aus der Beschaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieser Welt angetroffen wird, in welcher zweierlei Kausalität und deren Regel angenommen werden muß, nämlich Natur und Freiheit. Daher steigt sie von dieser Welt zur höchsten Intelligenz auf, entweder als dem Prinzip aller natürlichen oder aller sittlichen Ordnung und Vollkommenheit. Im ersteren Falle heißt sie Physikotheologie, im letzten Moraltheologie“, KrV tr. Dial. 2. B. 3 H. 7. Abs. (I 540 f.—Rc 681 f.). Alle „Versuche eines bloß spekulativen Gebrauchs der Vernunft in Ansehung der Theologie“ sind „gänzlich fruchtlos und ihrer inneren Beschaffenheit nach null und nichtig“. Die „Prinzipien ihres Naturgebrauchs“ aber führen ganz und gar auf keine Theologie, „folglich, wenn man nicht moralische Gesetze zum Grunde legt oder zum Leitfaden braucht, es überall keine Theologie der Vernunft geben könne“. „Denn alle synthetischen Grundsätze des Verstandes sind von immanentem Gebrauch, zu der Erkenntnis eines höchsten Wesens aber wird ein transzendenter Gebrauch derselben erfordert, wozu unser Verstand gar nicht ausgerüstet ist“, ibid. (I 543 f.—Rc 685 f.). Doch hat die transzendentale Theologie großen Nutzen als Berichtigung des anderswoher (moralisch) geschöpften Gottesbegriffs, als „beständige Zensur“ unserer Vernunft, den Gottesbegriff der Idee der „höchsten Realität“ gemäß zu bestimmen und von ihm alles, was nur der Erscheinungswelt angehören kann (also auch alles Anthropomorphische), abzuhalten, ibid. (I 546 f.—Rc 688 f.); vgl. Gott, Ideal, Postulate.
Die natürliche Theologie ist ein Begriff auf der Grenze (s. d.) der menschlichen Vernunft, da sie sich genötigt sieht, „zu der Idee eines höchsten Wesens (und in praktischer Beziehung auch auf die einer intelligiblen Welt) hinauszusehen, nicht um in Ansehung dieses bloßen Verstandeswesens, mithin außerhalb der Sinnenwelt etwas zu bestimmen, sondern nur, um ihren eigenen Gebrauch innerhalb derselben nach Prinzipien der größtmöglichen (theoretischen sowohl als praktischen) Einheit zu leiten, und zu diesem Behuf sich der Beziehung derselben auf eine selbständige Vernunft, als der Ursache aller dieser Verknüpfungen, zu bedienen, hierdurch aber nicht etwa sich bloß ein Wesen zu erdichten, sondern da außer der Sinnenwelt notwendig etwas, was nur der reine Verstand denkt, anzutreffen sein muß, dieses auf solche Weise, obwohl freilich bloß nach der Analogie, zu bestimmen“, Prol. § 69 (III 134 f.). Theologie ist nur möglich als „Erkenntnis Gottes, obzwar nur nach der Analogie des Begriffes von demselben mit dem eines verständigen Wesens, als eines von der Welt wesentlich unterschiedenen Urgrundes aller Dinge“. Theologie ist nicht Theosophie", d. h. Erkenntnis der göttlichen Natur, welche unerreichbar ist, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. Auflös. der Aufgabe I, Überschritt der Metaph. (V 3, 137).
Es steht der „biblischen Theologie“ im Felde der Wissenschaften eine „philosophische Theologie“ gegenüber. Diese, wenn sie nur innerhalb der „Grenzen der bloßen Vernunft“ bleibt und zur Bestätigung und Erläuterung ihrer Sätze die Geschichte, Sprachen, Bücher aller Völker, selbst die Bibel benutzt, aber nur für sich, ohne diese Sätze in die biblische Theologie hineinzutragen und dieser ihre öffentlichen Lehren, dafür der Geistliche privilegiert ist, abändern zu wollen, muß volle Freiheit haben, sich so weit, als ihre Wissenschaft reicht, auszubreiten„. Die Oberzensur kann dem biblischen Theologen nur als Glied seiner Fakultät, als Gelehrtem (nicht als Geistlichem) zustehen, Rel. Vorr. zur 1. A. (IV 8). Wenn der Religionsphilosoph die Bibel, die im Moralischen am besten mit der Vernunftreligion in Harmonie zu bringen ist, seinen Untersuchungen als Material zugrundelegt, so tut er der biblischen Theologie keinen Abbruch, sondern läßt sie und ihre Art der Schriftauslegung intakt, da er nur für seine eigene Wissenschaft sorgt, ibid. Erster Entwurf zur Vorr. (IV, LXXXII f.). Die biblische Theologie und Moral enthält auch Vernunfttheologie (Vernunftreligion) und Vernunftmoral (ibid.). — Die Offenbarung (s. d.) ist die weitere Sphäre, welche reine Vernunftreligion mit einschließt. Man kann von der Offenbarung als “historischem System„ ausgehen und sehen, ob dieses nicht zum “reinen Vernunftsystem" der Religion zurückführt. Ist dies der Fall, dann besteht Einigkeit zwischen Vernunft und Schrift, ibid. Vorr. zur 2. A. (IV 11 f.).
Auch die Theologie muß sich von der Philosophie kontrollieren und kritisieren lassen, wenn sie (als Fakultät) auch nicht selbst philosophisch verfährt. Man kann allenfalls der theologischen Fakultät den stolzen Anspruch, daß die philosophische ihre Magd sei, einräumen, „wobei doch noch immer die Frage bleibt; ob diese ihrer gnädigen Frau die Fackel vorträgt oder die Schleppe nachträgt“, „wenn man sie nur nicht verjagt oder ihr den Mund zubindet“, Str. d. Fak. 1. Abs. I, 2. Abs. (V 4, 67). „Der biblische Theolog“ ist „der Schriftgelehrte für den Kirchenglauben, der auf Statuten, d.i. auf Gesetzen, beruht, die aus der Willkür eines anderen ausfließen“. Der „rationale“ Theolog ist „der Vernunftgelehrte für den Religionsglauben, folglich denjenigen, der auf inneren Gesetzen beruht, die sich aus jedes Menschen eigener Vernunft entwickeln lassen“. Die Bibel enthält nicht bloß Stücke des reinen Religionsglaubens (s. Christentum), sondern auch vieles, „was als bloßes sinnliches Vehikel zwar (für diese oder jene Person, für dieses oder jenes Zeitalter) zuträglich sein kann, aber nicht notwendig dazu gehört. “Die biblisch-theologische Fakultät dringt nun darauf als göttliche Offenbarung im gleichen Maße, als wenn der Glaube desselben zur Religion gehörte. „Die philosophische aber widerstreitet jener in Ansehung dieser Vermengung und dessen, was jene über die eigentliche Religion Wahres in sich enthält“, ibid. II Anh. einer Erläuterung... I (V 4, 77 f.). Die Grundsätze der Schriftauslegung müssen philosophisch, d. h. vernünftig bestimmt sein: 1. „Schriftstellen, welche gewisse theoretische, für heilig angekündigte, aber allen (selbst den moralischen) Vernunftbegriff übersteigende Lehren enthalten, dürfen, diejenigen aber, welche der praktischen Vernunft widersprechende Sätze enthalten, müssen zum Vorteil der letzteren ausgelegt werden“, ibid. II (V 4, 80 ff.). 2. „Der Glaube an Schriftlehren, die eigentlich haben offenbart werden müssen, wenn sie haben gekannt werden sollen, hat an sich kein Verdienst, und der Mangel desselben, ja sogar der ihm entgegenstehende Zweifel ist an sich keine Verschuldung, sondern alles kommt in der Religion aufs Tun an, und diese Endabsicht, mithin auch ein dieser gemäßer Sinn muß allen biblischen Glaubenslehren untergelegt werden.“ 3. „Das Tun muß als aus des Menschen eigenem Gebrauch seiner moralischen Kräfte entspringend und nicht als Wirkung vom Einfluß einer äußeren höheren wirkenden Ursache, in Ansehung deren der Mensch sich leidend verhielte, vorgestellt werden: die Auslegung der Schriftstellen, welche buchstäblich das letztere zu enthalten scheinen, muß also auf die Übereinstimmung mit dem ersteren Grundsatze absichtlich gerichtet werden“, ibid. (V 4, 84 f.). „Wo das eigene Tun zur Rechtfertigung des Menschen vor seinem eigenen (strenge richtenden) Gewissen nicht zulangt, da ist die Vernunft befugt, allenfalls eine übernatürliche Ergänzung seiner mangelhaften Gerechtigkeit (auch ohne daß sie bestimmen darf, worin sie bestehe) gläubig anzunehmen“, ibid. (V 4, 86). So müssen alle Schriftauslegungen „nach dem Prinzip der in der Offenbarung abgezweckten Sittlichkeit“ gemacht werden und sind ohne sie „entweder praktisch leer oder gar Hindernisse des Guten“. „Auch sind sie alsdann nur eigentlich authentisch, d. i. der Gott in uns ist selbst der Ausleger, weil wir niemand verstehen als den, der durch unseren eigenen Verstand und unsere eigene Vernunft mit uns redet, die Göttlichkeit einer an uns ergangenen Lehre also durch nichts als durch Begriffe unserer Vernunft, sofern sie rein-moralisch und hiermit untrüglich sind, erkannt werden kann“, ibid. III (V 4, 91). Von der biblischen Auslegungskunst darf betreffs dessen, was in der Religion statutarisch ist, verlangt werden, „daß der Ausleger sich erkläre, ob sein Ausspruch als authentisch oder als doktrinal verstanden werden solle“. „Im ersteren Falle muß die Auslegung dem Sinne des Verfassers buchstäblich (philologisch) angemessen sein; im zweiten aber hat der Schriftsteller die Freiheit, der Schriftstelle (philosophisch) denjenigen Sinn unterzulegen, den sie in moralisch-praktischer Absicht (zur Erbauung des Lehrlings) in der Exegese annimmt; denn der Glaube an einen bloßen Geschichtssatz ist tot an ihm selber.“ „Der Gott, der durch unsere eigene (moralisch-praktische) Vernunft spricht, ist ein untrüglicher, allgemein verständlicher Ausleger dieses seines Wortes, und es kann auch schlechterdings keinen anderen (etwa auf historische Art) beglaubigten Ausleger seines Wortes geben; weil Religion eine reine Vernunftsache ist“, ibid. Friedens-Abschluß (V 4, 113 ff.). So haben die Theologen die Pflicht und Befugnis, „den Bibelglauben aufrecht zu erhalten“, doch „unbeschadet der Freiheit der Philosophen, ihn jederzeit der Kritik der Vernunft zu unterwerfen“, ibid. (V 4, 115); vgl. N 4564 ff., 5515 f., 6206 ff. u. ö.; Vorles. über d. philos. Religionslehre S. 4 ff.Vgl. Religion, Bibel, Christentum, Glaube, Offenbarung, Kirche.