2. Gewissheit, Cogito ergo sum
2. Dieselben erkenntnistheoretischen Grundgedanken kehren nun auch in Descartes' späteren Werken: dem Discours, den Meditationen, den Prinzipien, der Recherche und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Schriften wieder. Auch hier heißt es wiederholt: einmal im Leben müssen wir alle überkommenen Lehrmeinungen von uns abwerfen und auf neuem Fundamente ein völlig neues Gebäude unseres Wissens aufrichten. Die Vernunft verlangt gänzlich unbezweifelte Gewißheit, und Wissenschaft bedeutet: sichere und evidente Erkenntnis. De omnibus dubitandum est. Bisher aber gibt es nichts in der Philosophie, was zweifellos gewiß wäre. Die Sinne täuschen uns oft - man denke nur an das Träumen -, und selbst mit der Gewißheit des mathematischen Denkens könnte uns ein allmächtiger Dämon betrogen haben, wenigstens was die Übereinstimmung desselben mit den Gegenständen außer uns betrifft. Allein Descartes zweifelt nur, um zur Gewißheit zu gelangen. Und er will zeigen, dass diese Gewißheit nicht in den Sinnen, sondern im bloßen Verstande liegt, sobald er »evidente« Vorstellungen hat. Sein berühmter Satz Cogito ergo sum (Je pense, donc je suis) ist für ihn nur der methodische Ausgangspunkt.
Unumstößlich gewiß bei allem Zweifel bleibt, dass ich denke, dass ich ein denkendes Ding bin (une chose qui pense). Das aber weiß ich durch unmittelbare »Erfahrung«, durch eine »Intuition des Geistes«, durch das »reine« oder »natürliche Licht« der allen Menschen gemeinsamen Vernunft, durch eine »klare und deutliche Vorstellung« (perception claire et distincte).
In diesem lumen naturale, das so scholastisch klingt, aber erkenntnistheoretisch gemeint ist, sowie in dem noch häufiger von ihm gebrauchten Ausdruck der klaren und deutlichen Vorstellung haben wir den eigentlichen Ausgangspunkt des Descartesschen Philosophierens zu erblicken. Alle Dinge sind bloße Vorstellungen. Aber nur, was »klar und deutlich« (clair et distinct) erkannt wird, kann als wahr gelten. Und nur, was wahr ist, ist. Nur das klare und deutliche Vorstellen erzeugt wahres Wissen und damit das wahre Sein. »Klar« nennt Descartes eine Vorstellung, die dem Geiste gegenwärtig und offenkundig (manifeste), »deutlich« eine solche, welche genau und von allen anderen Erkenntnissen unterschieden ist.
Freilich kommen wir mit dieser Princ. I, 45 gegebenen Definition allein noch nicht viel weiter. Bedeutung bekommt sie erst durch die mathematischen und physikalischen Beispiele, die dazu gegeben werden, durch den Hinweis auf die auch auf die Metaphysik anzuwendende mathematische Methode, die als das erste Muster der klaren und deutlichen Erkenntnis bezeichnet wird.