1. Naturlehre
(De Corpore)
Alle Philosophie ist, sahen wir, Körper- und damit Bewegungslehre. Die Geometrie (deren Ausbau er jedoch nicht weiter verfolgt hat) erörtert die mathematischen Gesetze der Bewegung, die Mechanik die Wirkungen der Bewegungen des einen Körpers auf den anderen, die Physik die in den Körperteilchen vorgehenden Bewegungen, die Lehre vom Menschen und vom Staate endlich die Bewegungen in den Gemütern der Menschen.
Unabhängig von Descartes hatte Hobbes schon 1630 die Entdeckung gemacht, dass Licht und Töne aus Bewegungen entstehen, die sich von den wahrgenommenen Objekten zu dem wahrnehmenden Subjekte fortpflanzen, dass das Licht mithin eine durch eine Bewegung im Gehirn verursachte »Phantasie im Geiste« sei. Im Jahre 1641 kritisierte er dann Descartes' Dioptrik. Da das Sehen nichts als Bewegung ist, so kann auch das Sehende nur körperlich sein: ein Satz, den er später auch gegen dessen »Meditationen« verteidigte. Diese Grundsätze führt er jetzt in seinem systematischen Werke durch, und zwar obwohl er, radikaler als jener, allen Gebrauch der Vernunft über die Erfahrung hinaus für absurd erklärt, nach deduktiver Methode. Wissenschaft besteht darin, aus angenommenen Ursachen auf deren notwendige Wirkungen und aus den anerkannten Wirkungen auf mögliche Ursachen zu schließen, denn Ursache und Wirkung sind nur Glieder eines Gesamtprozesses; Ursache und Möglichkeit, Wirkung und Wirklichkeit sind eine und dieselbe Sache, nur in verschiedener Beleuchtung gesehen. Alles, was geschieht, geschieht aus notwendigen Ursachen.
Aus diesem Grunde führt auch Hobbes alle Naturerkenntnis auf Gestalt und Bewegung zurück. Die sekundären Qualitäten (Akzidentien) sind nur die Arten, wie wir den Körper auffassen, gehören aber nicht zum Begriff des letzteren. Ursache der Bewegung kann nur ein anderer bewegter Körper sein; auch Widerstand ist Bewegung. Bewegungen können als Größen zu Bewegungen addiert wie voneinander subtrahiert werden, unterliegen also den mathematischen Gesetzen. Ihre Maßeinheit ist die im denkbar kleinsten Raume und der denkbar kleinsten Zeit sich vollziehende Bewegung, genauer »Bewegungstendenz« (conatus), deren Geschwindigkeit ihr »Andrang« (impetus) heißt und, mit der Größe verbunden, zur »Kraft« wird. Die Wahrnehmung ist die Bewegung der inneren Teile des wahrnehmenden Körpers, d.h. der Sinnesorgane, die durch die Bewegung der äußeren Gegenstände hervorgerufen wird. Ohne die Mannigfaltigkeit der letzteren wäre keine Unterscheidung und Vergleichung, also auch keine Empfindung möglich. Die Farben-, Ton- usw. Empfindungen dagegen, somit auch die sogenannten sinnlichen Eigenschaften der äußeren Dinge, sind nur Modifikationen des empfindenden Subjekts. Als ihr Zentrum vermutet er noch eine Verbindung der Nervenwurzeln mit dem Herzen.
Dann werden die Gegenstände der einzelnen Sinne durchgenommen: des Sehens (das Universum und die Gestirne, Licht, Wärme, Farben), des Hörens (der Schall) usw., zuletzt die Schwere. Das Unendliche des Alls ist unfaßlich, der Beweis eines Weltanfangs unmöglich, auch die erste Ursache nicht unbewegt denkbar. Die Begriffe Universum und Gott fallen ihm offenbar zusammen. Wahrscheinlicher als der leere Raum dünkt ihm die Annahme eines Ätherfluidums. Seine vielfach heute noch interessanten physikalischen Einzeltheorien über das Feuer als Kombination von Luft- und Wärmewirkungen, die Farbe als getrübtes Licht, Kälteerscheinungen, Winde, Tonhöhe, Schwere u.a. gehören nicht hierher; sie sind im allgemeinen noch wenig von den Historikern der Naturwissenschaft beachtet worden. Vgl. über Hobbes' Naturphilosophie mehrere Abhandlungen von Frischeisen- Köhler im Archiv f. Gesch. der Philos. 1902 f.