1. Leben und Schriften
Hobbes' Leben erstreckt sich über einen 91jährigen Zeitraum. Als Sohn eines Landpfarrers am 5. April 1588 geboren, frühreif, bezog er bereits mit 15 Jahren die Universität Oxford, deren puritanischer Geist und nominalistisch- scholastische Lehrweise den begabten Jüngling schon damals abstieß. Von 1608-1628 war er Hofmeister, dann Reisebegleiter, später Privatsekretär und Hausfreund des ihm gleichalterigen Lord Cavendish, fand dabei jedoch Muße genug zu ausgedehnten Studien. 1629 gab er aus politisch-konservativem Interesse eine Übersetzung des Thukydides (mit Abhandlung) heraus. Von 1631 an erzog er den Sohn seines einstigen Zöglings, wie er denn überhaupt bis an sein Ende ein Freund der freidenkenden Grafenfamilie blieb; er bereiste mit ihm Frankreich, wo er mit dem Mersenneschen Kreis, und Italien, wo er mit Galilei persönlich bekannt ward. In diesen Jahren begann er sein System zu entwerfen. Als Vorläufer desselben, zugleich zur Verteidigung des bedrängten Königtums, schrieb er 1640 seine »Anfangsgründe des Natur- und Staatsrechtes (Elements of Law natural and politic)«, die erst zehn Jahre später unter verändertem Titel ohne sein Wissen herausgegeben wurden (in ihrer echten Gestalt erst 1889 durch Tönnies). Dann verließ er infolge der politischen Unruhen die Heimat, um die nächsten elf Jahre in Paris im Verkehr mit befreundeten Gelehrten wie Mersenne und Gassendi zu leben; auch Descartes lernte er dort kennen. 1642 erschien daselbst zuerst der dritte Teil seines Systems, das epochemachende Buch De Cive (1647 in erweiterter Gestalt zu Amsterdam). Von 1645 unterrichtete er eine Zeitlang den vertriebenen Prinzen von Wales (späteren König Karl II.) in der Mathematik. Mit Cromwells Republik versöhnte er sich innerlich bald, da ihm die einheitliche Staatssouveränität an sich wichtiger war als ihre Form. In diesem Sinne verfaßte er für seine Landsleute, daher in englischer Sprache, sein großes Werk Leviathan (London 1651). Der dem Buche Hiob entlehnte Name des Tieres, »dem kein anderes gleich ist«, bedeutet den von der Kirche völlig losgelösten weltlichen Staat, der auch die Erziehung in seine Hand nehmen, z.B. die Universitäten verweltlichen soll. Das Buch erregte, trotzdem Hobbes noch nicht sein letztes Wort darin gesprochen, einen Sturm der Entrüstung bei den Geistlichen aller Bekenntnisse. Sein Verfasser ward als »Vater der Atheisten« vom Hofe des »Königs im Exil« verwiesen. Dagegen konnte er jetzt, im Winter 1651/52, nach England zurückkehren und unter der Republik in Ruhe und Frieden seinen Studien leben: anfangs zu London im Verkehr mit Harvey und anderen Medizinern, später auf dem Landsitze seines früheren Zöglings. 1655 erschien endlich der erste Teil seines Systems; De Corpore, der seine Logik, »erste« Philosophie und Naturphilosophie zugleich umfaßte und der theologischen Metaphysik aufs neue den Krieg erklärte; 1658 der zweite, schwächere: De Homine. Unter der Restauration (seit 1660) anfangs wohlgelitten, wurde er später vielfach angefeindet. So konnte er für seine in Dialogform verfaßte, mit zahlreichen Reflexionen versehene Geschichte des »langen Parlaments« (1640-60), die er unter dem Titel Behemoth (neben dem Leviathan des Staates das Ungetüm der Revolution) als 80jähriger verfaßt hatte, die königliche Druckerlaubnis nicht erhalten. Wie die Elements in unechter Gestalt und verstümmelt von Freunden herausgegeben, ist auch sie erst von Tönnies (1889) nach dem Originalmanuskript ediert worden. Hobbes blieb bis in sein höchstes Alter geistig und körperlich frisch; in seinem 88. Lebensjahre gab er noch eine Übersetzung des ganzen Homer in gereimten Jamben heraus; er verlebte seine letzten Jahre in behaglicher Weise (mit Leibesübungen, Ballspiel, Spiel auf der Baßgeige, ja sogar nächtlichem Solosingen beschäftigt!) im Hause seines Gönners. Dort starb auch der unvermählt Geblichene am 4. Dezember 1679. Er wird geschildert als ein Mann von Welt, anspruchslos, freigebig, taktvoll, vornehm, rechtschaffen, begeistert für die Wissenschaft, die Unabhängigkeit liebend, und seine Freunde beklagen nur, dass er »zu viel Zeit mit Selbstdenken hinbrachte«.
Die bisher vollständigste Gesamtausgabe seiner Werke ist die von Molesworth in 16 Bänden, London 1839-45.